Leitsatz (amtlich)
Eine einstweilige (Unterhalts)Anordnung tritt erst durch ein rechtskräftiges Leistungsurteil außer Kraft (Änderung der Rspr. des Senats).
Verfahrensgang
AG Sinsheim (Beschluss vom 14.01.2003; Aktenzeichen 20 F 380/02) |
Tenor
Beschluss:
1. Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung des AG – FamG – Sinsheim vom 14.1.2003 (20 F 380/02) wird i.H.v. 57 Euro monatlich ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt. Der weiter gehende Antrag des Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Der Klägerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt und Rechtsanwältin H., Heidelberg, beigeordnet.
3. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Für die beiden ehegemeinschaftlichen Kinder zahlt der Beklagte je 188,50 Euro Unterhalt monatlich.
Der Beklagte ist bei der N. Maschinenbau GmbH beschäftigt. Im Jahr 2002 hat er durchschnittlich netto 1.846 Euro Lohn bezogen. Hierin war die Vergütung für Überstunden enthalten.
Mit Beschluss vom 14.1.2003 hat das AG den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für Dezember 2002 360 Euro Trennungsunterhalt und ab Januar 2003 225 Euro monatlich Trennungsunterhalt zu zahlen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 13.5.2003 hat es wegen mangelnder Leistungsfähigkeit ab Januar 2003 lediglich 168 Euro monatlich zuerkannt. Dabei hat es Überstundenvergütung im bisherigen Umfang sowie den Wechsel des Beklagten in die Steuerklasse I/1 zu Grunde gelegt.
Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte in erster Linie gegen die Berücksichtigung von Überstundenvergütungen.
Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe und beantragt i.Ü. die Aufhebung der einstweiligen Anordnung des AG – FamG – Sinsheim vom 14.1.2003 bzw. die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dieser.
II.1. Unter welchen Voraussetzungen eine einstweilige Anordnung gem. § 620 f ZPO durch eine anderweitige Regelung außer Kraft tritt und unter welchen Voraussetzungen eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung möglich ist, ist streitig (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 620 f. Rz. 21, Rz. 15 ff.; Johannsen/Henrich/Sedemund/Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 620 f Rz. 9, jew. m.N.). Der Senat (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.8.2002 – 2 UF 64/02) hat bisher ebenso wie der 16. Senat (OLG Karlsruhe v. 8.9.1982 – 16 WF 155/82, FamRZ 1982, 1221 [1222]) die Auffassung vertreten, dass eine einstweilige Anordnung bereits durch ein nur eingeschränkt für vorläufig vollstreckbar erklärtes, nicht rechtskräftiges Urteil außer Kraft tritt, soweit durch dieses weniger Unterhalt als in der einstweiligen Anordnung zuerkannt wird (ebenso OLG Düsseldorf v. 24.1.1996 – 3 WF 190/95, FamRZ 1996, 745). Der Senat hält an dieser Auffassung im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 27.10.1999 (BGH, Urt. v. 27.10.1999 – XII ZR 239/97, MDR 2000, 336 = FamRZ 2000, 751 [752]) nicht länger fest. Der BGH hat dort die Auffassung vertreten, eine einheitliche Handhabung im Interesse der Rechtssicherheit erfordere, dass eine einstweilige Anordnung auch im Falle eines Leistungsurteils in jedem Falle erst mit Eintritt von dessen Rechtskraft außer Kraft trete. Dieser Auffassung schließt sich der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rspr. an.
Allerdings war analog § 769 ZPO die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung in dem Umfang einstweilen einzustellen in dem diese über das Urteil hinausgeht. Eine einstweilige Anordnung ergeht als eine Eilentscheidung auf Grund einer nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, während das spätere Urteil in der Hauptsache auf Grund eines in der Zwischenzeit näher festgestellten Sachverhalts ergeht. Es bietet daher im Vergleich zur einstweiligen Anordnung eine höhere Richtigkeitsgewähr. Ein über dieses Urteil hinausgehender Unterhaltsanspruch ist daher in der Regel nicht hinreichend glaubhaft. Im vorliegenden Falle kommt hinzu, dass der Beklagte Berufungsführer ist, die Möglichkeit einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auf einen höheren, der einstweiligen Anordnung entsprechenden Betrag also gar nicht besteht.
2. Der weiter gehende Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung war dagegen zurückzuweisen. Dieser setzt eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels voraus, an der es vorliegend fehlt, siehe sogleich unter 3.
3. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hat die Berufung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1112437 |
FamRZ 2004, 1045 |
MDR 2004, 397 |
FamRB 2004, 83 |
JWO-FamR 2004, 75 |
NJOZ 2004, 4494 |
OLGR-KS 2004, 154 |
www.judicialis.de 2003 |