rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeit nach § 23 Abs. 1a StVO
Leitsatz (amtlich)
Ein mit Mobiltelefonfunktion und Mobilfunkkarte versehener „Palm-Organizer” ist ein „Mobiltelefon” i. S. d. § 23 Abs. 1a StVO. Das Tatbestandsmerkmal der „Benutzung eines Mobiltelefons” ist auch dann erfüllt, wenn dieses Gerät bei eingeführter, sei es auch deaktivierter Mobilfunkkarte zum Abfragen gespeicherter Daten in der Hand gehalten wird.
Normenkette
StVO § 23 Abs. 1a, § 49 Abs. 1 Nr. 22
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts M. vom 30. Juni 2005 – unter Aufrechterhaltung der zur äußeren Tatseite getroffenen Feststellungen – aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Mannheim zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht M. sprach den Betroffenen von dem gegen ihn mit Bußgeldbescheid der Stadt M. vom 10.03.2005 unter Festsetzung einer Geldbuße von EUR 40 erhobenen Vorwurf der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons, vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO, 24 StVG, aus rechtlichen Gründen frei. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung zur Fortbildung des Rechts beantragt; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt mit – vom Senat dem Verteidiger des Betroffenen mitgeteilter – Schrift vom 21.10.2005, die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, auf die Rechtsbeschwerde das Urteil des Amtsgerichts vom 30.06.2005 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Mannheim zurückzuverweisen. Der Betroffene beantragt mit Verteidigerschriftsatz vom 30.11.2005, die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft abzuweisen.
Mit Beschluss vom 23.11.2006 hat der Einzelrichter des Senats die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG).
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat den begehrten (vorläufigen) Erfolg.
Entscheidungsgründe
II.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 03.03.2005 um 10.10 Uhr als Führer des PKW, amtliches Kennzeichen…, die S. Straße in M. Während der Fahrt bediente er mit der rechten Hand seinen sog. „Palm-Organizer”, den er zu diesem Zwecke in der rechten Hand hielt. Der Betroffene, der sich auf dem Weg zu einem Geschäftstermin befand, sah in seinem Kalender zu diesem Termin gespeicherte Daten an. Er bemerkte die neben ihm im Streifenwagen herfahrenden Polizeibeamten, ließ sich durch diese aber nicht irritieren und bediente weiter seinen Organizer, bis die Polizeibeamten ihm Zeichen zum Anhalten gaben.
Der von dem Betroffenen benutzte Organizer ist mit Kalender-, Adressbuch-, Email- und Mobiltelefon-Funktionen, mit Lautsprecher sowie Mikrofon ausgestattet und daher auch als Mobiltelefon nutzbar. Der Betroffene verfügt über eine sog. „Twin-Card” der Fa. Vodafone, d.h. über zwei Mobilfunkkarten. Eine davon befand sich in seinem Mobiltelefon, die andere in seinem „Palm-Organizer”. Mit der „Twin-Card” sind die beiden Geräte nicht gleichzeitig als Mobiltelefon nutzbar; die Aktivierung der Mobilfunkkarte des einen Gerätes deaktiviert die des anderen Geräts. Im Zeitpunkt der Fahrt des Betroffenen war die Mobilfunkkarte in dem von ihm benutzten „Palm-Organizer” deaktiviert.
III.
Das angefochtene, den Betroffenen freisprechende Urteil hält einer sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den in sich rechtsfehlerfrei zur äußeren Tatseite getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dem von dem Betroffenen benutzten, mit Mobiltelefonfunktion und Mobilfunkkarte versehenen „Palm-Organizer” – entgegen der Meinung des Amtsgerichts – um ein „Mobiltelefon” i. S. d. § 23 Abs. 1a StVO.
Eine Unvereinbarkeit der Subsumierung dieses von dem Betroffenen verwendeten, derart ausgestatteten „Palm-Organizers” unter den Begriff des „Mobiltelefons” i. S. d. § 23 Abs. 1a StVO mit Art. 103 Abs. 2 GG wegen etwaiger – gemessen am allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis – Überdehnung des Wortlautes des § 23 Abs. 1a StVO zu Lasten des Betroffenen vermag der Senat – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – nicht zu erkennen. Die auch im Zusammenhang mit dem Zweck der Vorschrift des § 23 Abs.1a StVO zu sehende Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals durch den Senat überschreitet die Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung, die durch den (noch) möglichen Wortsinn markiert wird, nicht (vgl. nur BVerfG NJW 1995, 1141). Der Grundsatz der Bestimmtheit des Tatbestandes ist nicht verletzt; für den Normadressaten ist jedenfalls bei der hier konkret gegebenen Fallkonstellation zumindest das Risiko einer bußgeldrechtlichen Ahndung voraussehbar (vgl. hierzu etwa OLG Bamberg B. v. 27.09.2006 – 3 Ss OWi 1050/06 – m.w.N. bei juris – R...