Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abänderungsbefugnis des Beschwerdegerichts im Beschwerdeverfahren der Versorgungsträgerin gegen die Aussetzung einer Kürzung nach § 33 VersAusglG, wenn das Amtsgericht/Familiengericht im Ausgangsverfahren auch gemäß § 225 FamFG über die Abänderung des Anrechts der geschiedenen Ehefrau bei der Beschwerdeführerin entschieden hat.
2. Für die Entscheidung über den Umfang der Aussetzung einer Kürzung nach § 33 VersAusglG muss das Familiengericht keine abschließenden Feststellungen zur genauen Bemessung des Unterhaltsanspruchs des Berechtigten treffen, wenn feststeht, dass Unterhaltsleistungen jedenfalls in Höhe der Differenz der den Kürzungsanspruch begrenzenden Ausgleichswerte geschuldet sind.
Verfahrensgang
AG Baden-Baden (Aktenzeichen 6 F 56/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der DRV wird Ziffer 2. des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 16.09.2020, Az. 6 F 56/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kürzung der Versorgung des Antragstellers bei der DRV wird vom 01.06.2020 bis 30.06.2020 in Höhe von 626,51 EUR und ab 01.07.2020 in Höhe von monatlich 648,13 EUR ausgesetzt.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.
3. Der Beschwerdeverfahrenswert wird auf 1.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Altersversorgung des Antragstellers.
Die am 10.07.1981 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kehl vom 30.11.2010 - Az. 1 F 37/10 - geschieden. Im Verbund wurde auch der Versorgungsausgleich geregelt. Zu Gunsten des Antragstellers wurde vom Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der DRV Bund (DRV Bund) ein Anrecht in Höhe von 1,8826 Entgeltpunkten übertragen. Zu Gunsten der Antragsgegnerin wurde vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der DRV Bund ein Anrecht in Höhe von 22,3423 Entgeltpunkten übertragen.
Der am ... geborene Antragsteller erhält gemäß Rentenbescheid der DRV Bund vom 04.03.2020 seit 01.06.2020 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von 1.767,45 EUR monatlich. Die am ... geborene Antragsgegnerin/Ehefrau bezieht noch keine laufenden Altersversorgungsleistungen aus einem im Versorgungsausgleich ausgeglichenen Anrecht.
Mit am 16.03.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, wegen Erhöhung des Ehezeitanteils der Anwartschaft der Antragsgegnerin durch Kindererziehungszeiten die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gemäß § 225 FamFG abzuändern. Des Weiteren hat er im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin noch keine Altersrentenleistungen erhält, beantragt, die Kürzung seiner Versorgung gemäß § 33 VersAusglG auszusetzen.
Mit Schreiben vom 11.08.2020, auf das wegen der näheren Berechnungen verwiesen wird, hat die DRV Bund mitgeteilt, dass die Bruttorente des Antragstellers ab 01.06.2020 ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs 2.443,64 EUR betrage und die Bruttorente unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs 1.767,45 EUR. Eine Anpassung nach § 33 Abs. 1 VersAusgIG sei danach maximal im Umfang der Differenz von 676,19 EUR zulässig.
Zwischen den geschiedenen Eheleuten ist beim Amtsgericht - Familiengericht - Baden-Baden ein weiteres Verfahren wegen Unterhaltsabänderung anhängig mit dem Az. 6 F 57/20. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31.01.2014 - Az. 20 UF 191/12 - war der Antragsteller verpflichtet worden, an die Ehefrau gemäß § 1572 Nr. 1 BGB eine monatliche nacheheliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.063 EUR, davon 171 EUR Krankenvorsorgeunterhalt und 231 EUR Altersvorsorgeunterhalt, über freiwillig gezahlte monatlich 209 EUR hinaus zu zahlen. In den Gründen ging das Oberlandesgericht davon aus, dass bei der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung im April 2011 krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gegeben war, sowohl in organischer als auch psychischer Hinsicht und diese Arbeitsunfähigkeit bis auf Weiteres fortbestehe. Für die Höhe wurden - insoweit gemäß der erstinstanzlichen Entscheidung - das damalige Nettoerwerbseinkommen des alleine berufstätigen Antragstellers zugrunde gelegt und von ihm erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen für das gemeinsame Haus sowie auf Seiten der Ehefrau ein Wohnwertvorteil. Der nacheheliche Unterhalt sei nicht nach § 1579 Nr. 4 BGB verwirkt. Anhaltspunkte für eine mutwillige Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Unterhaltsbedürftigkeit seien nicht zu erkennen. Der Unterhaltsanspruch sei auch nicht nach § 1578b BGB herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen. Ein diesen Rechtsfolgen entgegenstehender ehebedingter Nachteil ergebe sich daraus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe, nach der der Antragsteller alleine berufstätig gewesen sei und die Antragsgegnerin ausschließlich den gemeinsamen Haushalt und die beiden - 19... und 19... geborenen - Kinder...