Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsbezieher hat seine Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I erfüllt, wenn die Veränderungsanzeige die bearbeitende Stelle des Leistungsträgers erreicht. Ist dies der Fall, muss die Mitteilung auch dann nicht wiederholt werden, wenn erkennbar wird, dass der Leistungsträger aus der mitgeteilten Veränderung nicht die gebotenen Konsequenzen zieht.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts T. vom 22. Juli 2003 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht T. verurteilte den Betroffenen wegen "vorsätzlichen Verstoßes gegen die Pflicht zur Meldung über Veränderungen im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen" zu der Geldbuße von 500,00 EUR. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen bezog der Betroffene von Juli 2001 bis Ende April 2002 Arbeitslosengeld. Am 03.09.2001 nahm der Betroffene eine Beschäftigung bei der Firma M. Bau auf. Dies hatte er bereits am 30.08.2001 dem Arbeitsamt B. mitgeteilt. Auf Grund eines Bearbeitungsfehlers - die mitgeteilte Arbeitsaufnahme wurde nicht in die elektronische Datenverarbeitung aufgenommen - wurde dem Betroffenen weiterhin Arbeitslosengeld gezahlt, was dieser auch bemerkte. Obwohl der Betroffene wusste, dass er hierauf keinen Anspruch hatte, unternahm er keine weiteren Anstrengungen, das Arbeitsamt auf die Überzahlungen hinzuweisen, die insgesamt eine Höhe von 9.297,06 EUR erreichten.
Diese Feststellungen belegen entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine Ordnungswidrigkeit des Betroffenen gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III.
Nach § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt. Die Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet den Bezieher von Sozialleistungen dazu, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Über die Form der Mitteilung enthält das Gesetz keine Regelung. Sofern sich aus besonderen Vorschriften nichts anderes ergibt, kann sie deshalb in jeder Form, d. h. schriftlich, mündlich, fernmündlich usw. erfolgen. In jedem Fall müssen die Änderungen aber so mitgeteilt werden, dass sie von dem zu unterrichtenden Leistungsträger ordnungsgemäß bearbeitet und geprüft werden können. Ist dies geschehen, ist damit die Mitteilungspflicht des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I erfüllt (Peters Handbuch der Krankenversicherung Teil 1 SGB AT § 60 Anm. 6; vgl. OLG Köln NJW 1984, 1979).
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird allerdings die Auffassung vertreten, dass die Mitteilung über veränderte Verhältnisse des Leistungsempfängers gegenüber dem Arbeitsamt wiederholt werden muss, wenn erkennbar fehlerhaft weiterhin Zahlungen erfolgen (OLG Stuttgart Die Justiz 1992, 185; KG B. v. 17.09.1997 -2 Ss 183/97; OLG Düsseldorf Urt. v. 17.12.1980 - 2 Ss 746/80; vgl. auch Ambs in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze § 404 SGB III Rdnr. 186). Dies kann indessen nur in den Fällen gelten, in denen die erste Anzeige nicht zu der bearbeitenden Stelle des Leistungsträgers gelangte und der Leistungsbezieher demzufolge seine Mitteilungspflicht noch nicht erfüllt hat. Liegt die Änderungsanzeige dem zu unterrichtenden Leistungsträger aber vor, hat der Leistungsbezieher seiner ihm nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I obliegenden Verpflichtung genügt. Er ist selbst dann nicht zu weiteren Hinweisen auf eine eingetretene Veränderung der Verhältnisse verpflichtet, wenn erkennbar wird, dass der Leistungsträger bei der Leistungsgewährung aus der mitgeteilten Veränderung nicht die gebotenen Konsequenzen zieht. Eine solche Rechtspflicht zum weiteren Tätigwerden ergibt sich weder aus der Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I, noch lässt sie sich anderweitig rechtlich begründen. Insbesondere ist der Empfänger von Leistungen nicht verpflichtet, den Leistungsträger allgemein auf fehlerhaftes oder unterlassenes Verwaltungshandeln hinzuweisen (vgl. BSG NJW 1981, 2718, 2719; OLG Köln a.a.O.; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht § 60 SGB I Rdnr. 27; Kretschmer in Kretschmer/von Maydell/Schellhorn GK-SGB I 3. Aufl. § 60 Rdnr. 27).
Eine Ordnungswidrigkeit des Betroffenen nach § 404 Abs. 2 Nr. 26 SGB III scheidet demnach aus. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts teilte der Betroffene dem Arbeitsamt die bevorstehende Arbeitsaufnahme mit, die bei der weiteren Leistungsgewährung nur deshalb unberücksichtigt blieb, weil die mitget...