Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die Ablösung eines Strafgefangenen von seinem Arbeitsplatz ist auch zulässig, wenn dieser auf Dauer dort nicht mehr tragbar ist.

  • 2.

    Zur Zulässigkeit der "Roten Karte" im Strafvollzug.

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Y. vom 05. Juli 2004 aufgehoben, soweit der Antrag die Anordnung einer "Roten Karte" betrifft.

    Es wird festgestellt, dass die am 05. April 2004 erfolgte Anordnung einer "Roten Karte" seitens der Justizvollzugsanstalt Z. rechtswidrig war.

  • 2.

    Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Y. vom 05. Juli 2004 wird als unbegründet verworfen, soweit dies die Entscheidung über die Ablösung von der Arbeit betrifft.

  • 3.

    Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil deren Zulassung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

  • 4.

    Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte, jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Von den außergerichtlichen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen die Hälfte der Staatskasse zur Last, im Übrigen behält der Verurteilte diese auf sich.

  • 5.

    Der Gegenstandswert wird auf 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer wurde der in der Buchbinderei in der Justizvollzugsanstalt Z. eingesetzte Verurteilte mit Verfügung vom 5.4.2004 von seinem Arbeitsplatz abgelöst, weil wegen seines den Arbeitsprozess störenden Verhaltens eine im Interesse des geordneten Ablauf des Arbeitsalltages gebotene sachgerechte Zusammenarbeit nicht mehr möglich gewesen sei. Zugleich verhängte die Anstalt gegen den Verurteilten die in der Hausordnung unter V Nr. 2 der Justizvollzugsanstalt Z. vom 09.10.2002 bei einem Antrag auf Widerruf der Arbeitseinteilung oder schuldhafter Nichtarbeit eines Strafgefangenen vorgesehene "Rote Karte". Diese beinhaltet entsprechend der Ergänzung der Hausordnung vom 12.07.1999 folgende im vorliegenden Fall auch vollumfänglich vollzogene Sanktionen:

  • 1)

    Hofgang von Montag bis Freitag zwischen 1.30 Uhr und 11.30 Uhr

  • 2)

    Hofgang an Wochenenden und an Feiertagen von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr

  • 3)

    Die Teilnahme an Veranstaltungen des Flügels ist möglich, soweit diese nicht durch Disziplinarmaßnahmen oder durch besondere Sicherungsmaßnahmen ausgeschlossen ist

  • 4)

    Duschen nach dem Hofgang

  • 5)

    Keine Teilnahme am Sport der übrigen Gefangenen

  • 6)

    Keine Teilnahme am Abendhof

  • 7)

    Keine Teilnahme am Umschluss, ausgenommen am Nachtumschluss an Wochenenden und an Feiertagen

  • 8)

    Haftraumumschluss nach Frühstücks- und Mittagsessensausgabe; Zellenaufschluss nachmittags um 16.00 Uhr

  • 9)

    Keine Berechtigung zum Besitz und Betrieb eines eigenen Fernsehgerätes. Gegebenenfalls ist bei Arbeitsverweigerung das Gerät aus dem Haftraum zu entfernen

Die Strafvollstreckungskammer hat die Anträge des Verurteilten auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ablösung, auf Verpflichtung ihn als Hilfsschänzer einzusetzen und ihn von der Zahlung von Haftkosten zu befreien, mit Beschluss vom 5. Juli 2004 als unbegründet und seinen Antrag auf Erstattung von Verdienstausfall als unzulässig zurückgewiesen. Über seinen weiteren Antrag vom 8.5.2004 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verhängung der Roten Karte, deren Anordnung die Strafvollstreckungskammer als rechtmäßig ansieht, hat diese nur in den Gründen entschieden.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen, die, soweit sie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen war, teilweise Erfolg hat.

II.

1.

Zu Recht ist die Strafvollstreckungskammer davon ausgegangen, dass die Ablösung des Strafgefangenen von seiner Arbeit in der Buchbinderei rechtsfehlerfrei war.

a.

Die Entscheidung der Vollzugsanstalt über die Ablösung des Antragstellers von seiner Tätigkeit in der Buchbinderei ist als Widerruf einer den Antragsteller begünstigenden Maßnahme an den zu § 49 VwVfG, 14 Abs. 2 StVollzG entwickelten Grundsätzen zu messen (OLG Frankfurt ZfStrVo 2001, 372). Allerdings steht der Vollzugsanstalt hinsichtlich der Beurteilung der einen Widerruf rechtfertigenden Beeinträchtigung von Sicherheitsinteressen der Anstalt und anderen für eine Ablösung vom Arbeitsplatz in Betracht kommenden Gründen im Hinblick auf ihre besondere Sachnähe und die ihr obliegende Verantwortung für die Anstaltssicherheit ein Beurteilungsspielraum zu (Senat, Beschluss vom 06.05.2004, 1 Ws 95/04; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage 2005, § 11 Rn 15). Dies hat zur Folge, dass die Entscheidung der Vollzugsanstalt nur in Anwendung der Grundsätze des § 115 Abs. 5 StVollzG überprüfbar ist. Die gerichtliche Prüfung ist insbesondere darauf beschränkt, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie bei ihrer Entscheidung den Grundsatz des Vertrauensschutzes bedacht und ob sie di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge