Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Öffentlichkeit und Geheimhaltungsanordnung im Rechtsstreit über Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rechtsstreit über Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung kann zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse des Krankenversicherers die Öffentlichkeit ausgeschlossen und die Geheimhaltung von Unterlagen über die technischen Berechnungsgrundlagen angeordnet werden (Anschluss BGH, Urteil vom 9. Dezember 2015 - IV ZR 272/15; Fortführung OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.02.2020 - 12 W 24/19).

2. Zu der Frage, welche Unterlagen und Informationen des Krankenversicherers vom Geheimnisschutz umfasst sind.

3. Dem Geheimnisschutz steht es nicht entgegen, dass Unterlagen oder Informationen bereits einem beschränkten Personenkreis bekannt wurden; anders ist es aber, wenn diese durch den Versicherer selbst bereits einem weiten Personenkreis bekannt gegeben wurden.

 

Normenkette

GVG §§ 172, 174 Abs. 3; VVG § 203

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 12.11.2019; Aktenzeichen 11 O 275/18)

 

Tenor

1. Auf die sofortigen Beschwerden der Klägerin und der Klägervertreterin Rechtsanwältin K wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 - 11 O 275/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Den in der Sitzung des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 anwesend gewesenen Personen wird zur Pflicht gemacht, den Inhalt der im Schriftsatz der Beklagten vom 16.09.2019, Seite 2 bis 17 genannten und dort als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen mit Ausnahme der Anlagen A.6, B.6, C.8, D.9, E.9.a, E.9.b, F.10, und die hierauf bezogene Erörterung während der nicht-öffentlichen Verhandlung am 12.11.2019 geheim zu halten.

2. Die weitergehenden sofortigen Beschwerden werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Redaktionelle Bearbeitung:

Die Parteien sind durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag verbunden. Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache mit Feststellungs- und auf Rückzahlung gerichteter Leistungsklage gegen verschiedene von der Beklagten vorgenommene Prämienerhöhungen. Sie macht geltend, die Erhöhungen seien jeweils nicht ordnungsgemäß begründet worden, der von der Beklagten nach ihren Angaben eingeschaltete Treuhänder sei nicht unabhängig gewesen, und es hätten auch die materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhungen, welche die Beklagte darzulegen und zu beweisen habe, nicht vorgelegen. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, den ordnungsgemäß begründeten Prämienerhöhungen habe jeweils ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt, und die Prämienerhöhungen seien auch materiell rechtmäßig gewesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.07.2019 verschiedene Hinweise erteilt und der Beklagten aufgegeben, sämtliche Rechnungsunterlagen, die dem Treuhänder vor der Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Beitragsanpassungen zur Verfügung gestellt wurden, einzureichen. Die Beklagte ist dem nachgekommen und hat mit Schriftsatz vom 16.09.2019 ein umfangreiches Anlagenkonvolut vorgelegt. Sie hat sich in diesem Schriftsatz bezüglich des gesamten Konvoluts mit Ausnahme der Versicherungsbedingungen und der PKV - Sterbetafeln auf Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen. Eine Einsichtnahme durch die Klägerseite könne erst erfolgen, wenn die Geheimhaltung sichergestellt sei. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, die Berechnungsgrundlagen enthielten Informationen zur unternehmensinternen Schadensentwicklung, Angaben zur Herleitung der Kopfschadenprofile sowie Grundkopfschäden, detaillierte Informationen hinsichtlich der rechnungsmäßigen Ansätze der Abschluss-, Verwaltungs- und Schadenregulierungskosten, des Stornoverhaltens in den einzelnen Tarifsegmenten sowie Zahlen und Grafiken zu Rechnungsgrundlagen, Beitrag/Limitierung, Alterungsrückstellung sowie Anwartschaft. Dies seien geheimhaltungsbedürftige unternehmensindividuelle interne Geschäfts- und Betriebsinformationen. Die Klägerseite hat die Geheimhaltungsbedürftigkeit zunächst nicht in Abrede gestellt.

In der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 12.11.2019 hat das Landgericht durch Beschluss die Öffentlichkeit ausgeschlossen und den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die während der nichtöffentlichen Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht gemacht. Die Beklagtenvertreterin hat daraufhin das Anlagenkonvolut an die Klägervertreterin übergeben. Die Unterlagen wurden in nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Anschließend wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt und das weitere Vorgehen erörtert.

Gegen den Beschluss vom 12.11.2019 hat die Klägervertreterin sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Klägerin Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführer haben im Beschwerdeverfahren u. a. neu geltend gemacht, dass hinsichtlich eines Teils der Unterlagen ein Geheimhaltungsbedarf nicht bestehe und die Beklagte einen solchen auc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge