Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Pauschvergütung des Pflichtverteidigers
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Umfang der Sache und ein erheblich überdurchschnittlicher Zeit- und Arbeitsaufwand des Verteidigers vorliegen, sind nunmehr die neu eingeführten Gebührentatbestände zu berücksichtigen.
2. So sind für die - nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher für die Angemessenheit einer Pauschgebühr herangezogene - Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (Nr. 4103 VV), die Teilnahme am Haftprüfungstermin (Nr. 4102 VV) oder die Teilnahme an Hauptverhandlungsterminen mit mehr als 5 bzw. 8 Stunden Dauer (Nr. 4128 VV) neue Gebührentatbestände geschaffen worden. Diese Tätigkeiten können deshalb nur noch in Ausnahmefällen zur Begründung einer Pauschgebühr herangezogen werden.
Gründe
Der im Verfahren im vorliegenden Verfahren am 16.09.2005 zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt, dem gesetzliche Gebühren von insgesamt 3540.Euro zustehen, begehrt mit seinem Antrag vom 15.09.2006 im Hinblick auf den Umfang und die besondere Schwierigkeit der Sache die Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 7.000 Euro.
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist auf Antrag eine Pauschvergütung für das gesamte Verfahren oder von Teilen davon zu gewähren, die über die Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis hinausgeht, wenn diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Die Pauschvergütung soll nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Rechtsanwaltsvergütung insbesondere für den Bereich der Pflichtverteidigung erheblich verbessert hat, Ausnahmecharakter haben (BTDrucks. 15/1971, S.201, 202; Burhoff, RVG, § 51, Rdn. 1, 10). § 51 RVG knüpft daher nicht - wie noch § 99 BRAGO - allein daran an, ob die Strafsache besonders umfangreich oder schwierig ist. Hinzutreten muss vielmehr weiterhin, dass die gesetzlich bestimmten - und im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich angehobenen - Gebühren als unzumutbar erscheinen.
Für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit kann auf die bisher zu § 99 BRAGO ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dies nicht schon dann der Fall, wenn die Angelegenheit überhaupt von einer durchschnittlichen Sache abweicht. Vielmehr muss es sich um ein Verfahren handeln, das nach Umfang oder Schwierigkeit erheblich über dem Durchschnitt der bei einem Gericht gleicher Ordnung anfallenden Sachen liegt und dem Verteidiger einen über das Maß normaler Inanspruchnahme erheblich hinausgehenden Zeit- und Arbeitsaufwand abverlangt hat (vgl. Senat, Justiz 1997, 482 ≫483≪).
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Umfang der Sache und ein erheblich überdurchschnittlicher Zeit- und Arbeitsaufwand des Verteidigers vorliegen, sind nunmehr die neu eingeführten Gebührentatbestände zu berücksichtigen. So sind für die - nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher für die Angemessenheit einer Pauschgebühr herangezogene - Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (Nr. 4103 VV), die Teilnahme am Haftprüfungstermin (Nr. 4102 VV) oder die Teilnahme an Hauptverhandlungsterminen mit mehr als 5 bzw. 8 Stunden Dauer (Nr. 4128 VV) neue Gebührentatbestände geschaffen worden. Diese Tätigkeiten können deshalb nur noch in Ausnahmefällen zur Begründung einer Pauschgebühr herangezogen werden (siehe auch Beschluss des OLG Celle vom 11.02.2005 - 1 ARs 293/04 P, veröffentlicht in juris).
Gemessen an diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht gegeben. Die Teilnahme des Verteidigers an den Vernehmungsterminen vom 20.09.2005 und vom 14.10.2005 hat eine Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß Nr. 4102/4103 RVG ausgelöst, und die fünf Stunden übersteigende Dauer der Hauptverhandlung am 08.06.2006 ist durch die Zusatzgebühr der Nr. 4110 RVG abgegolten. Ein erheblich überdurchschnittlicher Umfang der Sache, der das Entgelt des Verteidigers als unzumutbar erscheinen ließe, kann bei zusammenfassender Bewertung des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der beträchtlichen Verfahrensdauer nicht festgestellt werden. Dabei hat der Senat in Rechnung gestellt, dass die Terminsgebühr gemäß Nr. 4102/03 mit 137.- Euro für zwei jeweils etwa zweistündige richterliche Vernehmungen sicherlich gering bemessen ist, doch findet dies im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung dadurch einen Ausgleich, dass zwei der sechs Hauptverhandlungstermine weniger als eine Stunde gedauert haben. Die Dauer der Hauptverhandlung liegt mit ca. 17 Stunden keinesfalls über dem Durchschnitt bei Schurgerichtsverfahren, auch wenn sie sich auf sechs Verhandlungstage erstreckt hat. Auch der Aktenumfang, zwei Bände Hauptakten und fünf Sonderhefte geringen Umfangs, fällt durchaus nicht aus dem Rahmen. Dass in ein...