Leitsatz (amtlich)
1.
Die in § 41 StVollzG normierte Arbeitspflicht gilt gemäß § 130 StVollzG grundsätzlich auch für Sicherungsverwahrte. Die Vollzugsbehörden haben bei der Anwendung des § 41 StVollzG im Einzelfall dem verfassungsrechtlich geforderten Abstandsgebot zwischen Strafvollzug und Maßregelvollzug Rechnung zu tragen, das eine Besserstellung der Sicherungsverwahrten fordert, soweit dies im Rahmen der Vollzugsorganisation möglich ist. Die Vollzugsbehörden haben daher insbesondere zu prüfen und nachvollziehbar zu belegen, dass eine bestimmte Arbeit für den Sicherungsverwahrten nach seiner körperlichen und psychischen Verfassung zumutbar ist. Je länger die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dauert, umso kritischer muss geprüft werden, ob die Zuweisung einer Arbeit unter Berücksichtigung des bisherigen Verlaufs des Straf- und Maßregelvollzugs, der persönlichen körperlichen und psychischen Verfassung des Untergebrachten und seiner weiteren Vollzugsperspektive zumutbar ist.
2.
Will die Vollzugsbehörde einem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten, der eine ihm angebotene Arbeit abgelehnt hat, Haftkosten auferlegen, so hat sie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich geforderten Abstandsgebots (BVerfGE 109, 133 ff.) besonders kritisch zu prüfen, ob die Resozialisierungsklausel des § 50 Abs. 1 Satz 5 StVollzG der Erhebung von Haftkosten im Einzelfall entgegen steht.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers M. S. werden der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 04. November 2005 und die ihm zugrunde liegenden Verfügungen der Justizvollzugsanstalt F. aufgehoben, soweit gegen den Antragsteller für die Monate April, Mai, November und - anteilig - für Oktober 2004 Haftkosten in Höhe von insgesamt 1.194,41 EUR festgesetzt worden sind.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.200,- EUR festgesetzt (§ 65 GKG).
Gründe
I.
1.
Der Antragsteller M. S. wurde mit Urteil des Landgerichts S. vom 06. September 1985 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, die nach Vollverbüßung der Freiheitsstrafe seit dem 26. Juni 1989 und damit seit nahezu 18 Jahren vollzogen wird.
Der Antragsteller weigert sich seit Herbst 2002, einer Arbeit nachzugehen.
Auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 StVollzG hat die Justizvollzugsanstalt F. mit Verfügungen vom 16. und 17.06.2004 für die Monate April und Mai, und mit Verfügungen vom 15. und 17.12. 2004 für die Monate Oktober und November 2004 Haftkostenbeiträge in Höhe von insgesamt 1.194,41 EUR festgesetzt; davon entfielen auf den Monat April 117,10,- EUR, auf den Monat Mai 363,01,- EUR, auf den Monat Oktober 363,01,- EUR und auf den Monat November 351,30,- EUR.
2.
Gegen diese Festsetzungen stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 26.12.2004 Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantragte, die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben. Hinsichtlich der Verfügungen vom 16. und 17.06.2004 beantragte er außerdem Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung und trug vor, er habe die Monatsfrist unverschuldet versäumt, weil er - der ihm erteilten unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung folgend - zunächst Widerspruch erhoben habe, über den die Justizvollzugsanstalt F. bislang nicht entschieden habe.
Zur Begründung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nahm der Antragsteller auf bereits früher gestellte Anträge an die Strafvollstreckungskammer Bezug, in denen er im Wesentlichen vorgetragen hatte, dass er entgegen der Auffassung der Vollzugsbehörden als Sicherungsverwahrter nicht zur Arbeit verpflichtet sei. Die Arbeitspflicht widerspreche dem für die Sicherungsverwahrung geltenden Resozialisierungsgebot; eine Gleichbehandlung der Sicherungsverwahrten mit Strafgefangenen sei verfassungswidrig. Darüber hinaus seien die Kosten für Unterbringung und Verpflegung zu hoch angesetzt und entsprächen nicht dem tatsächlich entstandenen Aufwand.
Die Justizvollzugsanstalt F. hat im gerichtlichen Verfahren beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen, weil die Festsetzung der Haftkosten nach § 50 Abs. 1 StVollzG der Rechtslage entspreche; der Antragsteller sei schuldhaft ohne Arbeit; ein Grund, von der Erhebung der Haftkosten abzusehen, sei nicht ersichtlich.
3.
Die Strafvollstreckungskammer F. hat dem Antragsteller hinsichtlich der angegriffenen Verfügungen aus dem Juni 2004 - konkludent - Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erhebung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gewährt und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück gewiesen, soweit die Justizvollzugsanstalt Haf...