Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass das deutsche Recht eine den Art. 14a, 14b und 14c des niederländischen Strafgesetzbuches entsprechende Möglichkeit einer Teilaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung bereits im Erkenntnisverfahren nicht kennt, steht unter Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Umwandlung der in den Niederlanden verhängten Strafe in eine im deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion nach §§ 84 ff IRG nicht entgegen (hier: Freiheitsstrafe von einem Jahr, von welcher mit Übernahme sogleich vier Monate zur Bewährung ausgesetzt werden).
2. Da nach Art. 1 Abs. 4 Rb-Freiheitsstrafen die Grundrechte und die allgemeinen Grundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union zu achten sind, findet § 73 Satz 2 IRG schon aufgrund einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung Anwendung, ohne dass es eines Rückgriffs auf Grundrechte oder einer ausdrücklichen Erwähnung in den Vorschriften der §§ 84 ff. IRG bedürfte. Eine Vollstreckungshilfe, die gegen allgemeine Grundsätze und Grundrechte des Gemeinschaftsrechts verstößt, ist unzulässig und darf auch nicht nach Maßgabe der §§ 84 ff IRG bewilligt werden.
3. Auch bei der Vollstreckungsübernahme nach § 84 ff IRG verbleibt die Möglichkeit, die an sich zu verbüßende Freiheitsstrafe im Wege der Gnade zur Bewährung auszusetzen.
Normenkette
IRG § 73 S. 2, §§ 84, 84a, 84b, 84c, 84g
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts I. vom 31. Oktober 2016 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
H.U. - ein deutscher Staatsangehöriger - wurde durch Urteil der Rechtbank H./Niederlande vom 19.04.2012 wegen versuchter vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr von Betäubungsmitteln in dessen Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit einer von ihm beauftragten Verteidigerin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, weil er gemeinsam mit einem Mittäter am 08./09.03.2010 versucht hatte, zwei Beutel mit 693,25 Gramm und 397,97 Gramm Heroin sowie einen Beutel mit 1.061,09 Gramm des Streckmittels Fenazelin von den Niederlanden nach Deutschland zu schmuggeln. Auf die Berufung des Verurteilten hob der Gerechtshof U. dieses Verurteilung am 03.03.2014 auf und verurteilte U. erneut wegen dieses Vorwurfs zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wobei er ebenso wie die Vorinstanz davon sogleich vier Monate zur Bewährung aussetzte und eine Bewährungszeit von zwei Jahren bestimmte. Mit Urteil vom 27.01.2015 verwarf der Oberste Gerichtshof der Niederlande die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten als unzulässig.
Am 14.04.2016 gingen bei der Staatsanwaltschaft I. ein Vollstreckungsübernahmegesuch der Abteilung für Einzelfälle des Justizvollzugsamtes für Sicherheit und Justiz in Den Haag vom 08.04.2015 unter Beifügung einer Bescheinigung nach Art. 4 des Rahmenbeschlusses 2008/909/J des Rates vom 27.11.2008 sowie - nachgereicht - in deutscher Übersetzung die Urteile des Rechtsbank H. vom 19.04.2012, des Gerechtshofs in U. vom 03.03.2014 und des Obersten Gerichtshofs der Niederlande vom 27.01.2015 ein. Nach Anhörung des dort Verurteilten hat das Landgericht I. mit Beschluss vom 31.10.2016 das Urteil des Gerechtshofs U. vom 03.03.2014 für vollstreckbar erklärt, die verhängte Strafe in eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten umgewandelt, angeordnet, dass hiervon acht Monate zu vollstrecken seien, die Vollstreckung der Restfreiheiheitsstrafe von vier Monaten zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit insoweit auf zwei Jahre festgesetzt und ausgesprochen, dass die in Holland erlittene Untersuchungshaft im Verhältnis 1:1 anzurechnen sei.
Gegen die dem Verurteilten am 04.11.2016 zugestellte Entscheidung hat sein Verteidiger am 09.11.2016 sofortige Beschwerde eingelegt und diese am 28.11.2016 sowie nach Vorliegen eines Verwerfungsantrages der Generalstaatsanwaltschaft vom 12.12.2016 am 19.12.2016 abschließend begründet. Er ist der Sache nach der Ansicht, dass eine Übernahme des Urteils des Gerechtshofs U. vom 03.03.2014 ausscheide, weil das deutsche Recht eine entsprechende Sanktion nicht vorsehe und eine Vollstreckung von lediglich noch sieben Monaten Freiheitsstrafe nach Abzug der erlittenen Untersuchungshaft rechtswidrig und unverhältnismäßig sei, zumal der Verurteilte zwischenzeitlich am 30.03.2012 ein Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen habe.
II.
Die gemäß § 84g Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 IRG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 77 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Nr. 1 IRG, § 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Der Senat schließt sich der wohlbegründeten Bewertung des Landgerichts I. an.
Die Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse über freiheitsentziehende Sanktionen in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich im Bereich des hier in Rede stehenden Vollstreckungshilfeverkehrs mit einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach §§ 84 ff. IRG in der seit dem 25.07.2015 geltenden Fassung, durch die der Rahmenbeschluss 2008/9...