Leitsatz (amtlich)
Das Prozessverhalten eines Verteidigers ist nicht mehr als übliche, sachbezogene und prozessual zulässige Verteidigertätigkeit einstufbar, vielmehr als unerlaubtes Verteidigerhandeln zu werten, wenn es objektiv und subjektiv das Ziel erkennen lässt, das Hauptverfahren durch andauerndes Unterlaufen der verhandlungsleitenden Anordnungen des Vorsitzenden zu sabotieren.
In einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen für die Ausschließung des Verteidigers wegen dringenden Verdachts der versuchten Strafvereitelung zu Gunsten seines Mandanten vor, da er zielgerichtet den zeitnahen Abschluss des Erkenntnisverfahrens und ggf. die Bestrafung des Angeklagten gefährdet.
Tenor
Die Verteidigerin Rechtsanwältin A. wird von der weiteren Mitwirkung in dem gegen den Angeklagten E. von der Staatsanwaltschaft M. betriebenen Strafverfahren ausgeschlossen.
Rechtsanwältin A. trägt die Kosten des Ausschließungsverfahrens.
Gründe
I.
Das von der erkennenden Großen Strafkammer des Landgerichts M. mit in der Hauptverhandlung am 09.03.2006 verkündetem Vorlagebeschluss von diesem Tage nach §§ 138 a Abs. 1 Nr. 3, 138 c Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO eingeleitete Ausschließungsverfahren richtet sich gegen Rechtsanwältin A., die derzeit Wahlverteidigerin des Angeklagten E. ist.
Der Angeklagte E. befindet sich in vorliegender Sache seit dem 01.03.2005 in ununterbrochener Untersuchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls des Amtsgerichts - Haftrichter - M. vom 17.02.2003 in der Gestalt des Haftfortdauerbeschlusses dieses Gerichts vom 02.03.2005 sowie der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 20.04.2005 - 3 Ws 139/05 - und nun auf Grund des diesen ersetzenden, dem Verfahrensstand nach Anklageerhebung angepassten Haftbefehls der erkennenden Strafkammer vom 17.08.2005. Die Staatsanwaltschaft M. erhob gegen E. mit Schrift vom 27.06.2005 zum Landgericht - Große Strafkammer - M. Anklage unter dem Vorwurf der Volksverhetzung u. a.; wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe sei auf die Anklageschrift und deren Darstellung im "Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen" verwiesen. Mit Beschluss vom 26.07.2005 eröffnete die mit der Sache befasste Große Strafkammer des Landgerichts M. das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu, wobei sie tatsächliche und rechtliche Hinweise erteilte. Nach Absprache der Termine mit dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt R., H., bestimmte der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 27.07.2005 Termin zur Hauptverhandlung auf den 08.11.2005 nebst vier Folgetagen. Auf das Anschreiben des Kammervorsitzenden an den Angeklagten, einen Rechtsanwalt zu benennen, der ihm als Pflichtverteidiger bestellt werden könne, meldete sich am 08.08.2005 unter Vollmachtsvorlage Rechtsanwältin A. als - weitere - Wahlverteidigerin. Diese wurde dem Angeklagten mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 09.09.2005 beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 18.10.2005 beantragte Rechtsanwältin A. die Einstellung des Verfahrens, die Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 und 4 StGB) und die Aufhebung des gegen den Angeklagten E. vollzogenen Haftbefehls. Da sie zugleich die Offenkundigkeit des Holocaust als Täuschungsmaßnahme feindlicher Mächte bezeichnete, verfügte der Kammervorsitzende am 07.11.2005 wegen der Besorgnis, Rechtsanwältin A. werde verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, die Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwältin A. als Verteidigerin des Angeklagten. Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet, da in Anbetracht letzterer Äußerung von Rechtsanwältin A. zum Holocaust davon auszugehen sei, dass der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet sei, indem Rechtsanwältin A. verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legen, sich nur den äußeren Anschein der Verteidigung geben, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beitragen werde (BGHSt 46, 36, 45).
Die am 08.11.2005 begonnene Hauptverhandlung, in der der Angeklagte E. Rechtsanwältin A. (erneut) als Wahlverteidigerin bevollmächtigte, setzte die Kammer im Fortsetzungstermin am 15.11.2005 zur Bestellung neuer Pflichtverteidiger aus, zugleich mit dem Zweck, den mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 18.11.2005 sodann als neue Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwälten B. und H. Gelegenheit zu geben, sich in den umfangreichen Verfahrensstoff - damals bereits 34 Aktenbände - einzuarbeiten. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Beiordnung der Rechtsanwälte B. und H. verwarf der Senat mit Beschluss vom 14.12.2005 als unbegründet; zugleich bestellte der Senat - auf die Beschwerde des Angeklagten hin - diesem als weiteren Verteidiger Rechtsanwalt L. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die vom Kammervorsitze...