Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorhandensein von Kindern stellt einen gewichtigen Umstand im Rahmen einer Eheschließung dar, dessen Verschweigen nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Aufhebung der Ehe führen kann, jedenfalls dann, wenn die Kinder noch minderjährig sind.

2. Eheaufhebung und Ehescheidung betreffen denselben Gegenstand im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG, so dass bei hilfsweiser Geltendmachung keine Zusammenrechnung der Werte erfolgt.

 

Verfahrensgang

AG Lörrach (Aktenzeichen 13 F 1128/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lörrach vom 10.08.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und zur erneuten Festsetzung des Verfahrenswerts an das Amtsgericht - Familiengericht - Lörrach zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 112.700 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der am 1942 in Deutschland geborene Antragsteller ist Betreiber eines ... lm Internet suchte er gezielt nach einer Ehefrau im asiatischen Raum. Dabei traf er im Mai 2017 auf die 1981 auf den Philippinen geborene Antragsgegnerin. Diese hat zwei voreheliche Kinder, eine Tochter geb. 1999 und einen Sohn, geb. 2003, von zwei verschiedenen Vätern, mit denen sie nicht verheiratet war. Bis zur Übersiedlung nach Deutschland lebte die Antragsgegnerin mit ihren Kindern zusammen. Von den Kindern erzählte die Antragsgegnerin bei der Kontaktaufnahme dem Antragsteller zunächst nichts.

Nachdem über ein Jahr nahezu täglich virtuelle Kontakte erfolgt waren, kam es ohne vorheriges persönliches Treffen am 29.08.2018 zur Heirat vor dem Standesbeamten in Hongkong. Erst mehr als zwei Jahre später reiste die Antragsgegnerin am 11.09.2020 nach Deutschland ein und zog zum Antragsteller.

Die Antragsgegnerin war beim Antragsteller angestellt und erhielt ein Einkommen von ca. 1.300 bis 1.400 EUR. Davon überwies die Antragsgegnerin regelmäßig Geld an ihre Familie auf den Philippinen, mit der sie regelmäßig im Kontakt stand.

Die Ehe ist kinderlos geblieben.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.11.2021 beantragte der Antragsteller die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung der Ehe. Der Antrag wurde der Antragsgegnerin laut Zustellungsurkunde am 27.11.2021 durch Einlegung in den (gemeinsamen) Briefkasten zugestellt. Tatsächlich wurde die Post ins Haus gebracht, hier übergab der Antragsteller der Antragsgegnerin am 10./11.12.2021 den verschlossenen Umschlag.

Am 10./11.12.2021 kehrte die Antragsgegnerin nach einer mehrwöchigen Abwesenheit in die Ehewohnung zurück, aus der sie am 31.01.2022 schließlich endgültig auszog.

Die Antragsgegnerin trat mit Anwaltsschriftsatz vom 28.01.2022 dem Antrag entgegen und rügte die fehlerhafte Zustellung. Sie beantragte die Durchführung des Versorgungsausgleichs und kündigte einen Stufenantrag zum Zugewinn an. Diese Anträge stellte sie im Termin vom 27.04.2022 (I 333). Außerdem ist ein Verfahren über Trennungsunterhalt anhängig.

Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe ihm ihre zwei minderjährigen Kinder verschwiegen, auch auf Nachfrage. Falls er Kenntnis hiervon gehabt hätte, hätte er die Ehe nicht geschlossen. Von den Kindern habe er erst wenige Tage vor der Einleitung des vorliegenden Verfahrens erfahren.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe die Kinder vor der Heirat erwähnt, daraufhin habe sich der Antragsteller zunächst zwei Wochen nicht mehr gemeldet. Schließlich habe er wieder den Kontakt aufgenommen und ihr eingeschärft, davon niemandem zu erzählen, da sie sonst nicht nach Deutschland einreisen dürfe.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.05.2022 hat das Familiengericht den Antrag und den Hilfsantrag des Antragstellers abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller ihre Kinder verschwiegen habe. Dies betreffe den höchstpersönlichen Lebensbereich der Antragsgegnerin und könne keine Eheaufhebung begründen. Außerdem habe der Antragsteller die Zwangssituation der Antragsgegnerin zu seinem Vorteil ausgenutzt, daher könne der Antragsgegnerin ein Verschweigen nicht vorgeworfen werden. Auch eine unzumutbare Härte für eine vorzeitige Scheidung läge nicht vor. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 13.05.2022 zugestellt (I 393).

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers mit Anwaltsschriftsatz vom 27.05.2022, eingegangen beim Familiengericht am gleichen Tag.

Der Antragsteller beantragt:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Lörrach abgeändert. Die am 29.08.2018 vor dem Standesamt in Hongkong geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben.

Hilfsweise wird beantragt:

Die am 29.08.2018 vor dem Standesamt in Hongkong geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.

Die Antragsgegnerin beantragt:

Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der Eheaufhebung.

Dem Scheidungsantrag tritt sie nach Ablauf des Trennungsjahres nicht mehr entgegen.

Der Senat hat die Ehegatten im Beschwerdeverfahren persönlich angehört.

Für ...

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