Leitsatz (amtlich)

1. Jedenfalls in Übergangsfällen (Erhebung der Klage vor der Entscheidung des EuGH in der Rs. Huawei/ZTE) kann der kartellrechtliche Zwangslizeneinwand einer Klage auch dann nicht mehr entgegengehalten werden, wenn der Verletzer erst in der Klagebegründung in ausreichendem Maße auf die Patentverletzung hingewiesen wurde, der Patentinhaber erst während des Prozesses ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet und der Verletzer darauf nicht mit der Sorgfalt gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert hat.

2. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Angebot des Patentinhabers FRAND-Bedingungen entspricht, darf sich das Gericht nicht auf eine summarische Prüfung und Evidenzkontrolle beschränken.

3. Es kommt aber in Betracht, dass dem Patentinhaber ein großzügiger Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Lizenz zu FRAND-Bedingungen einzuräumen ist.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 04.03.2016; Aktenzeichen 7 O 96/14)

 

Tenor

1. Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 4 des Tenors (Rückruf und Entfernung) des Urteils des LG Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O 96/14) wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500.000,00 EUR einstweilen eingestellt.

2. Der weiter gehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Inhaberin des am 3.4.1997 unter Inanspruchnahme der japanischen Prioritätsanmeldung JP. vom 4.4.1996 angemeldeten europäischen Patents EP. betreffend ein Informationsaufzeichnungsmedium mit Informationen zum Verbieten einer Benutzeroperation und ein Gerät zu dessen Aufzeichnung und Wiedergabe. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents erfolgte am 17.8.2011.

Die Klägerin ist die in... ansässige Muttergesellschaft eines weltweit agierenden Elektronikkonzerns. Mit der Lizenzierung des Klagepatents hat die Klägerin den Patent-Pool "A." (nachfolgend: A) beauftragt. A ist ein in... ansässiges Unternehmen, das neben den Patenten der Klägerin auch Schutzrechte dreier weiterer namhafter Elektronikunternehmen in deren Auftrag verwertet. A. bietet seit Oktober 2012 Pool-Lizenzen für die DVD-Softwaretechnologie an.

Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des...-Konzerns, dessen Konzernmutter, die..., ihren Sitz in... hat. Sie vertreibt im Inland u.a. Computer und Notebooks - hierunter die Modelle... und... Die angegriffenen Geräte sind dazu ausgebildet, nach dem DVD-Standard codierte Videodateien zu decodieren und wiederzugeben. Die hierfür vorinstallierte Software stammt von der taiwanesischen Firma... Corp. Wegen des Inhalts des vorliegend bedeutsamen Teils 3 des DVD-Standards ("Video Specifications") wird auf die in Anlage K 4c vorgelegten Auszüge Bezug genommen.

Im Hinblick auf solche Patente, die für die Herstellung, den Verkauf und/oder den Gebrauch von DVD-Produkten notwendig sind, legte die Klägerin eine sog. FRAND-Erklärung (Anlage K 11) vor, die an das so genannten "DVD-Forum", welches den Standard verwaltet und dessen Mitglied die Klägerin ist, gerichtet war und auch für die Vergangenheit ab dem 07.08.1997 gelten sollte. Hierüber setzte die Klägerin die Beklagte im Dezember 2014 in Kenntnis. Ob die Klägerin eine solche Erklärung bereits abgegeben hatte, als sie das Klagepatent als für den Standard essentiell deklarierte, steht zwischen den Parteien im Streit.

Anfang 2013 trat A. an die Konzernmutter der Beklagten heran und stellte das DVD-Software-Lizenzprogramm vor. Es kam jedenfalls zu einem Gespräch und zwei schriftlichen Kontaktaufnahmen durch A. Ein konkreter Hinweis auf die Verletzung des hiesigen Klagepatents erfolgte dabei nicht. Die Mutter der Beklagten nahm die Vorstellung des Lizenzprogramms nicht zum Anlass, in Lizenzverhandlungen einzutreten.

Mit der Klageerwiderung legte die Beklagte ein Angebot vom 06.10.2014 (Anlage B&B 13) für einen Lizenzvertrag zwischen den Parteien vor. Gegenstand des Lizenzvertragsangebots ist eine auf Deutschland und das Klagepatent beschränkte Lizenz zugunsten der Beklagten. Als Lizenzgebühr sieht der angebotene Lizenzvertrag eine sog. FRAND-Royalty vor, deren Bestimmung durch die Klägerin im Wege eines Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB erfolgen soll. In der Klageerwiderung erklärte die Beklagte zudem, dass sie bereit sei, über eine Portfolio-Lizenz für die deutschen Patente der Klägerin zu verhandeln und im Fall der Nichteinigung die Lizenzgebühr durch ein Gericht oder Schiedsgericht festlegen zu lassen. Das gelte auch für den Fall, dass die Klägerin das Lizenzangebot nicht annehmen werde. Als Orientierung dafür, was sie als FRAND-Lizenzgebühr ansah, legte die Beklagte ein für andere Klagepatente aus zwei parallelen Rechtsstreitigkeiten gefertigtes Parteigutachten (Anlage B&B 14) vor, das für die Patente aus den Parallelverfahren zu einem Lizenzsatz von USD. pro Patent und verkauftem PC gelangt.

Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 28.11.2014 (...

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