Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung. Rechtsentscheid

 

Tenor

Hat bei einem zwei Miteigentümern gehörenden Mietgrundstück lediglich der eine Miteigentümer die Mietverträge geschlossen, greift § 571 BGB im Falle der Veräußerung oder Teilungsversteigerung nur dann ein, wenn der andere Miteigentümer der Vermietung zugestimmt hat.

 

Tatbestand

I

Die Kläger haben in einer Teilungsversteigerung das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der seit März 1974 getrennt lebenden, seit Herbst 1978 geschiedenen Eheleute … erworben. Eine Wohnung in diesem Haus bewohnt die Beklagte aufgrund eines am 1.7.1975 mündlich, am 1.7.1976 schriftlich allein mit Frau … geschlossenen 10-Jahres-Mietvertrages. Die Kläger begehren die Räumung und Herausgabe dieser Wohnung aufgrund einer am 30.3.1979 ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung.

Das Landgericht Mannheim, bei dem die Kläger Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts Schwetzingen eingelegt haben, hat dem Senat durch Beschluß vom 30.10.1980 folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Greift im Falle der Veräußerung oder Versteigerung des zwei Miteigentümern gehörenden Mietgrundstücks (Wohnhaus mit Mietwohnungen) § 571 BGB (i.V.m. §§ 57 ff. ZVG, 580 BGB) auch dann ein, wenn nur der eine Miteigentümer Vermieter war, der andere Miteigentümer jenem aber über mehrere Jahre hinweg tatsächlich die Vornahme von Vermietungen überlassen und diese hingenommen hat, ohne jemals gegenüber dem Miteigentümer oder gegenüber Mietern rechtliche Maßnahmen zu ergreifen?

 

Entscheidungsgründe

II

Die Vorlage ist zulässig.

  1. Die Rechtsfrage betrifft ein Mietverhältnis über Wohnräume und ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist bisher in Rechtsprechung und Literatur nicht eingehend erörtert worden und wird die Praxis auch in Zukunft wiederholt beschäftigen; denn es ist nichts Ungewöhnliches, daß die Mietverträge eines einer Miteigentümergemeinschaft gehörenden Hauses nur von einem Miteigentümer geschlossen werden und das Grundstück später veräußert wird.
  2. Der Senat läßt die Frage offen, ob das Oberlandesgericht auch die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage als Zulässigkeitsvoraussetzung selbständig zu prüfen hat (so BayObLG NJW 70, 1748, 1749; OLG Karlsruhe 10. Zivilsenat, Beschluß vom 4.11.1980, zum Abdruck in OLG Z vorgesehen; Dänzer-Vanotti, NJW 80, 1777 f., m.w.N.; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 3. Aufl., B 294; Thomas-Putzo, ZPO, 10. Aufl., Vorbem. VII 4 vor § 511); denn diese Voraussetzung ist nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im Vorlagebeschluß hier jedenfalls zweifelsfrei gegeben.

III

Der Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage dahin, daß der Erwerber auch bei Vermietung der Wohnung lediglich durch einen Miteigentümer in den Mietvertrag eintritt, sofern der daran nicht beteiligte Miteigentümer der Vermietung zugestimmt hat.

  1. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur greifen die Rechtsfolgen des § 571 BGB nicht ein, wenn der das Mietgrundstück veräußernde Eigentümer nicht zugleich der Vermieter ist (BGH NJW 74, 1551; Staudinger-Emmerich, Komm. zum BGB, 12. Aufl., § 571 Rn 31; Palandt-Putzo, BGB, 39. Aufl., § 571 Anm. 2; Münchener Komm., § 571 Rn 10; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., I 64; Haus, Das neue Mietrecht in den weißen Kreisen, § 571 Anm. 2 c; Roquette, Das Mietrecht des BGB, § 571 Rn 20). Die genannten Autoren nehmen, mit Ausnahme von Roquette, generell an, derjenige, der ein Grundstück von einer Miteigentümergemeinschaft erwerbe, trete nicht in den Mietvertrag ein, wenn dieser nur mit einem Miteigentümer geschlossen worden sei. Die hier zur Entscheidung stehende Rechtsfrage wird dabei nicht erörtert. Zwar differenziert der BGH, hat es jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob § 571 BGB anwendbar ist, wenn der Miteigentümer dem Mietvertrag zugestimmt hat.
  2. Es ist grundsätzlich zutreffend, als Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 571 BGB Identität zwischen dem Vermieter und dem Veräußerer zu verlangen. Diese Auffassung kann sich nicht nur auf den Wortlaut der Vorschrift berufen, sie ist vor allem in Anbetracht des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Der in § 571 BGB Gesetz gewordene Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete” will dem Mieter die durch den Vertrag erworbenen Rechte bei einem Eigentümerwechsel erhalten. Die Vorschrift stellt eine ausgesprochene Mieterschutzbestimmung dar und muß daher durchgängig in diesem Lichte gesehen und interpretiert werden (Staudinger-Emmerich, § 571 Rn 2). Die Rechtsstellung des Mieters soll sich durch die Veräußerung im Grundsatz nicht verschlechtern, allerdings auch nicht verbessern.

    Innerhalb der Miteigentümergemeinschaft stellt die Vermietung des gemeinschaftlichen Gegenstandes eine Verwaltungsaufgabe dar (BGHZ 56, 47, 50; Münchener Komm., §§ 744, 745 Rn 4; Staudinger-Vogel, § 744 Rn 2), die den Miteigentümern daher gemeinschaftlich zusteht (§ 744 Abs. 1 BGB). Vermietet ein Miteigentümer das Grundstück allein, ohne daß ihn die anderen hierzu ermächtigten oder dem Ver...

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