Leitsatz (amtlich)
1. Geht eine Berufungsbegründung auf die die Abweisung der Klage tragenden Erwägungen nicht ein, genügt sie den Anforderungen aus § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht, auch wenn allgemein vorgetragen wird, das Urteil bedürfe der Korrektur.
2. Der Kläger, der einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld darauf stützt, der in Anspruch genommene habe bestimmte medizinische Präparate vom Markt nehmen müssen, muss dartun und beweisen, dass er erst erkrankt (hier: an einer HIV-Infektion) ist, nachdem die Präparate nach seiner Behauptung hätten vom Markt genommen werden müssen.
3. Kann durch einen Test nur in 61 % aller Fälle eine Infizierung vermieden werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung des Testverfahrens die Erkrankung des Klägers sicher vermieden hätte. Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kommen nicht in Betracht.
Normenkette
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2, § 286; BGB § 847
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Aktenzeichen 2 O 191/97) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 14.4.1999, Az. 2 O 191/97, wird hinsichtlich der Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen, hinsichtlich der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Sicherheit darf jeweils durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zugelassenen Bank- oder Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern ein Schmerzensgeld i.H.v. 275.000 DM im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion.
Die Klägerin war die Lebensgefährtin und ist Alleinerbin des am 11.4.1959 geborenen und am 28.7.1995 verstorbenen M.P., der an Hämophilie B litt. Der Verstorbene erhielt seit dem 4.5.1979 bis 1984 Produkte der Beklagten zu 2), sogenannte Faktor IX-Präparate. Aus der ärztlichen Bescheinigung von Prof. Dr. Z. vom 9.6.1994 (I 1013) ergibt sich, dass der Verstorbene seit dem 16.9.1985 (erste Bestimmung) mit dem HIV-Virus infiziert war.
M.P. hatte über den damals häufig für Hämophile tätigen Rechtsanwalt S. mit der Versicherung der Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen. Rechtsanwalt S. schrieb M. P. am 28.2.1988 an und legte ihm nahe, ein Vergleichsangebot der C. -Versicherung zu akzeptieren (I 71). Die C.-Versicherung brachte in einem Schreiben vom 25.4.1988 (I 75) zum Ausdruck, dass sie weder nach den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes noch nach Deliktsrecht hafte.
Am 7.5.1988 unterzeichnete M.P. folgende von der C.-Versicherung vorformulierte Abfindungserklärung (I 73):
„Abfindungserklärung i.V.m. unserem Schreiben vom 25.4.1988 an Herrn Rechtsanwalt S.
„Ich, Herr M.P., geboren am, wohnhaft H., erkläre mich für alle Ersatzansprüche, die von mir oder meinen Rechtsnachfolgern gegen
1. I. GmbH und deren Haftpflichtversicherer C. Versicherung Aktiengesellschaft
2. andere pharmazeutische Unternehmen, die Gerinnungsfaktor-Präparate und/oder sonstige Blutprodukte in Verkehr gebracht oder hergestellt haben, sowie deren Haftpflichtversicherer
3. jeden anderen Dritten, sofern er als Gesamtschuldner in Betracht kommt, geltend gemacht werden könnten, gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. DM 75.000,00 (in Worten: Fünfundsiebzigtausend Deutsche Mark) für vollständig und endgültig abgefunden. Dies gilt auch für alle nicht vorhersehbaren Schäden und Spätfolgen. Mir ist bekannt, dass mit der Zahlung kein Anerkenntnis einer Haftung verbunden ist. Meine behaupteten Ansprüche sind weder abgetreten noch gepfändet. Die Abfindung bezieht sich nicht auf behauptete Ansprüche, die kraft Gesetzes – wie etwa § 116 SGB X – auf Sozialversicherungsträger übergehen könnten.”
Wortgleiche Vereinbarungen, allerdings mit unterschiedlichen Abfindungsbeträgen, wurden mit zahlreichen anderen mit HIV-infizierten Blutern getroffen. M.P. erhielt die Vergleichssumme.
Die Firma B. entwickelte 1981 ein Verfahren zur Inaktivierung von Hepatitis-B für sogenannte Faktor VIII-Präparate. 1984 entwickelte die Beklagte zu 2) ein virusinaktiviertes PPSB-Konzentrat. Ein solches hatte die Firma B. bereits 1982 entwickelt.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte zu 2) habe mit dem Faktor IX-Präparat ein fehlerhaftes Produkt hergestellt, da es keine Inaktivierung gegen Hepatitis-Viren, die dann auch gegen das HI-Virus gewirkt hätten, besessen habe. Die Beklagte zu 2 habe importiertes Blut verwendet und dabei produktionstechnische Unzulänglichkeiten bewusst in Kauf genommen. Insbesondere sei dieses Blut bis 1985 nicht ALT-getestet gewesen, wodurch die Gefahr einer Infektion mit Hepatitis-C deutlich verringert worden wäre. Der Verstorbene habe nur Blutgerinnungspräparate der Beklagten zu 2) erhalten.
Das Bundesgesundheitsamt habe seit Bekanntwerden der Inaktivierungstechniken ni...