Entscheidungsstichwort (Thema)

Prämienanpassung im Beitragsentlastungstarif zur substitutiven Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Die formellen und materiellen Anforderungen an die Prämienanpassung in einem ergänzend zur substitutiven Krankenversicherung abgeschlossenen Tarif zur Beitragsentlastung im Alter richten sich nach § 203 Abs. 2 und Abs. 5 VVG.

 

Normenkette

VAG § 155; VVG § 203

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 12.07.2021; Aktenzeichen 11 O 217/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 12.07.2021, Az. 11 O 217/20, wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 55 % und die Beklagte 45 % zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht die Feststellung der Unwirksamkeit mehrerer Tariferhöhungen in ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, die Rückzahlung auf diese Prämienerhöhungen geleisteter Beiträge und die Feststellung der Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen aus diesen Prämienanteilen nebst Verzinsung geltend.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit dem 01.08.2001 unter der Versicherungsvertragsnummer ... eine private Kranken-/Krankentagegeld und Pflegeversicherung u.a. mit den versicherten Tarifen VITAL 250, VITAL Z, BEAE P/290,1 und BEAE P/300,1.

Diesem Vertrag liegen die in Anlage B 1 vorgelegten allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und Tarifbedingungen zugrunde.

In den Besonderen Bedingungen für die Beitragsermäßigung im Alter für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeld- und Pflegetarife (Hauptversicherung) wird für den Tarif BEA PLUS unter Ziffer 4 zur Beitragsanpassung Folgendes geregelt (Anlage B 1-5, i.F.: Besondere Bedingungen):

"Wird auf Grundlage des § 8b Teil I der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt, so erfolgt auch eine Beitragsanpassung in BEA PLUS zum gleichen Termin.

Die Beitragsanpassung im BEA PLUS unterliegt genauso wie die Kostenversicherung der Zustimmungspflicht durch einen unabhängigen Treuhänder."

Die Beklagte führte in den von der Klägerin abgeschlossenen Tarifen u.a. folgende Beitragsanpassungen durch:

  • im Tarif BEAE P 290 eine Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 48,46 EUR,
  • im Tarif BEAE P 300 eine Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 0,36 EUR.

Im Tarif BEAE P wurden die Leistungen stetig angepasst und die Tarifbezeichnung zum 01.06.2019 von 290,1 auf 300,1 geändert.

In den Änderungsmitteilungen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2019 und zum 01.01.2020 (Anlagen B 5-8 und 5-9) wird im Nachtrag zum Versicherungsschein zum geänderten Tarif BEAE P/290,1 bzw. BEAE P/300,1 der Änderungsgrund mit der Ziffer 1 bezeichnet. Zu dieser Ziffer findet sich im Beiblatt "Änderungsgründe" jeweils ein Verweis auf die beiliegenden "Informationen zur Beitragsanpassung". In diesen Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 und zum 01.01.2020 wird unter Punkt "3. Was sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassungen in den Tarifen BEA P, BEAE P (...)" jeweils Folgendes erläutert:

"Der Tarif BEA entlastet Ihren Krankenversicherungsbeitrag im Alter. Deswegen wird bei der Betragsberechnung die statistische Lebenserwartung (die sogenannte Sterbetafel) zugrunde gelegt. Verlängert sich die Lebenserwartung, muss dies bei der Prämienkalkulation berücksichtigt werden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Leistungen des Tarifs dauerhaft erfüllt werden können.

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen daher vor, dass die Rechnungsgrundlagen des Tarifs BEA immer dann überprüft und ggf. mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst werden, wenn in der Privaten Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird (§ 8b Teil 1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen). Das ist zum [01.01.2019 bzw. 01.01.2020] der Fall.

[...]"

Wegen des weiteren Inhalts der Anpassungsmitteilungen wird auf die im Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Schreiben Bezug genommen.

Die Beitragserhöhungen in den Beitragsentlastungstarifen (BEA) erfolgten jeweils aufgrund der Einführung einer neuen Sterbetafel (Anlage B 2).

Die Klägerin hat die Prämien auf die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen vorbehaltlos gezahlt.

Die Klägerin hat, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, vorgetragen:

Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen sei zulässig. Die Feststellung sei eine Vorfrage für den Leistungsantrag und gehe zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus.

Die Mitteilungen der Beklagten über die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen erfüllten die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Begrün...

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