Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Zeugnisverweigerungsrechts eines Berufsgeheimnisträgers (behandelnder Arzt) nach Tod des Versicherungsnehmers.

 

Normenkette

VVG § 19; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 13.03.2015; Aktenzeichen 8 O 351/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Schlusssurteil des LG Karlsruhe vom 13.03.2015 - 8 O 351/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 28.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.137,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht nun in der zweiten und letzten Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage einen Zahlungsanspruch aus einem zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten geschlossenen Risikoversicherungsvertrag geltend.

Mit Antrag vom 18.09.2010 beantragte der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin R. S. (künftig: Versicherungsnehmer) bei der Beklagten den Abschluss einer Risikoversicherung.

Im Rahmen der im Antrag enthaltenen Risiko- und Gesundheitserklärung beantwortete er die Frage Ziffer 1., ob er in den letzten 5 Jahren durch Ärzte oder andere Heilbehandler untersucht, beraten oder behandelt worden sei, nur bezüglich des Buchstabens a) "hinsichtlich des Herzens, des Kreislaufes, der Gefäße (...)" mit "ja" und erläuterte hierzu unter Ziffer 2. "1 Untersuchung wg. Bluthochdruck Dr. B. O.". Die weitere Frage nach insoweit bestehenden Beschwerden und/oder Folgen wurde mit "Nein" beantwortet. Die Frage Ziffer 3., ob er derzeit länger als 2 Wochen fortdauernd Medikamente einnehme oder innerhalb der letzten 5 Jahre einnahm, beantwortete er ebenfalls mit "Nein".

Den daraufhin seitens der Beklagten zugesandten Fragebogen Blutdruck/Kreislauf beantwortete der Versicherungsnehmer am 09.10.2010 dahingehend, dass eine leichte Hypertonie vorliege, deswegen keine weiteren Beschwerden bestünden und er weder Medikamente nehme oder genommen habe. Auf die Frage nach durchgeführten Untersuchungen am Herzen, die einen von der Norm abweichenden Befund ergaben, erklärte der Versicherungsnehmer, dass eine "24h Blutdruckmessung" durchgeführt worden sei und insoweit ein leichter Bluthochdruck festgestellt worden sei.

Nach - auch aufgrund des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens Blutdruck/Kreislauf - durchgeführter Risikoprüfung bot die Beklagte dem Versicherungsnehmer den Abschluss eines Risikovertrages mit einem Sonderbeitrag in Höhe von 859,65 EUR an, welcher sodann mit einer Versicherungssumme im Todesfall in Höhe von 200.000,00 EUR beginnend am 01.11.2010 zustande kam. Als Bezugsberechtigte für alle Leistungen aus der Versicherung war die Klägerin bestimmt.

Am 01.03.2011 erlitt der Versicherungsnehmer eine Synkope mit anschließender Aortendissektion und verstarb am 04.03.2011 an Organversagen nach Perikardtamponade und Myokardinfarkt. Die Klägerin ist die Erbin des Versicherungsnehmers.

Nach Mitteilung des Todes des Versicherungsnehmers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2011 weitere Unterlagen, insbesondere einen ärztlichen Bericht über die Todesursache und evtl. vorangegangene Erkrankungen laut Vordruck an. Nachdem die Klägerin diesen von Dr. B. am 17.03.2011 ausgefüllten Vordruck bei der Beklagten eingereicht hatte, forderte diese bei Dr. B. mit Schreiben vom 22.03.2011 die komplette Patientenakte des Versicherungsnehmers an.

In den daraufhin von Dr. B. übersandten Unterlagen befand sich ein Arztbrief des Kardiologen Dr. Bo. vom 22.10.2007, aus dem sich ergab, dass der Versicherungsnehmer von Dr. Bo. am Herzen untersucht worden war und sich im Rahmen einer farbkodierten Duplex-Echokardiografie eine beginnende konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie sowie eine erweitere Aortenwurzel herausgestellte hatte. Dr. Bo. hatte deshalb eine beginnende hypertensive Herzerkrankung diagnostiziert und die Einnahme eines ACE-Hemmers empfohlen.

Auf Nachfrage der Beklagten bei Dr. B. teilte dieser mit ärztlichem Attest vom 15.04.2011 mit, dass der Befund des Dr. Bo. mit dem Versicherungsnehmer besprochen worden sei und auf Rat des Dr. Bo. eine medikamentöse Therapie mit einem Kombinationspräparat zur Senkung des Blutdrucks und Entlastung des Herzens begonnen worden sei. Das Medikament sei aus Sicht des Dr. B. als Dauermedikation angesetzt gewesen, ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?