Verfahrensgang
AG Konstanz (Entscheidung vom 16.08.2003; Aktenzeichen 2 F 86/03) |
Gründe
Der am 22.5.1991 geborene Kläger nimmt seinen Vater auf Kindesunterhalt für die Zeit ab Januar 1996 in Anspruch. Die Ehe der Eltern des Klägers, die sich im Jahre 1995 getrennt hatten, wurde mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 30.8.2002 geschieden. Der Kläger lebt seit der Trennung der Parteien bei seiner Mutter. Der Beklagte ist Vater eines weiteren Kindes (Nico, geb. 3.1.2000).
Das Amtsgericht - Familiengericht - Konstanz hat den Beklagten mit Urteil vom 16.8.2003, der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 5.9.2003, zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts in Höhe von 16.072 EUR (Zeitraum 1.1.1996 bis 31.8.2003) sowie zur Zahlung laufenden Kindesunterhalts ab 1.9.2003 in Höhe von monatlich 204,50 EUR verurteilt.
Mit seiner am 1.10.2003 beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangenen und fristgemäß begründeten Berufung macht der Beklagte geltend, dass Unterhaltsansprüche bis September 2001 verwirkt seien, da die Mutter des Klägers ihn lediglich mit Anwaltsschreiben vom 31.10.1995 und dann erst wieder im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Schriftsatz vom 22.10.2001 zur Zahlung von Kindesunterhalt(ab 1.10.2001) aufgefordert habe. Bis Ende 1999 habe er im übrigen den Kindesunterhalt regelmäßig bezahlt. Seit März 2000 sei er leistungsunfähig. Jedenfalls sei der Beklagte nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, da die Mutter des Klägers über deutlich bessere Einkommensverhältnisse verfüge.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 14.8.2003 dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Seine Mutter habe den Beklagten auch nach dem Anwaltsschriftsatz vom 31 .10.1995 in der Folgezeit immer wieder - mindestens drei- bis viermal im Jahr - zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert. Zahlungen seien nicht erfolgt. Der Beklagte sei auch leistungsfähig, da ihm ein fiktives Einkommen in der Größenordnung von 1.200 bis 1.300 EUR zuzurechnen sei. Ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Eltern liege nicht vor, zumal die Mutter des Klägers überobligatonsmäßig tätig sei.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 20.12.2004 Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat Erfolg, da etwaige Unterhaltsrückstände bis September 2001 verwirkt sind und für die Zeit danach von Leistungsunfähigkeit des Beklagten auszugehen ist. Die Unterhaltsklage ist daher abzuweisen.
1. Etwaige Unterhaltsrückstände bis September 2001 sind verwirkt.
Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 1601, 1603 BGB grundsätzlich zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Dabei kann Unterhalt für die Vergangenheit nur ab Rechtshängigkeit oder ab Verzug verlangt werden (§ 1613 Abs. 1 BGB). Vorliegend hat die gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB vertretungsberechtigte Mutter des Klägers den Beklagten zwar mit Anwaltsschriftsatz vom 31.10.1995 in Verzug gesetzt. Der Kläger kann sich jedoch bzgl. der bis September 2001 aufgelaufenen Unterhaltsrückstände unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung nicht auf die Verzugsfolgen berufen. Denn die Mutter des Klägers hat dessen Unterhaltsansprüche in der Folgezeit nicht mehr geltend gemacht und erst im Rahmen des Scheidungsverfahrens mit Antragsschrift vom 22.10.2001, der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 25.10.2001, erneut Unterhalt - ab 1.10.2001 - gefordert. Erst mit dem im vorliegenden Verfahren unter dem 5.5.2003 eingereichten Antrag auf Prozesskostenhilfe wurden erstmals wieder Unterhaltsrückstände für die Zeit ab Januar 1996 verlangt. Soweit damit Unterhalt für die Zeit bis September 2001 verlangt wird, ist dieses Verhalten als illoyal verspätete Rechtsausübung zu qualifizieren, so dass dem Anspruch des Klägers der Einwand der Verwirkung entgegensteht.
Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Insofern gilt für Unterhaltsrückstände nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordenen Ansprüche (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung BGHZ 84, 280, 281; FamRZ 1988, 270 ff.; 2002, 1698 ff.; 2004, 531 ff.). Gerade bei derartigen Ansprüchen spricht sogar vieles dafür, an das sog. Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewie...