Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungspflicht des Gebäudeversicherers gegenüber dem Erwerber einer bereits versicherten Immobilie
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Erwerber eines bebauten Grundstücks kommt bereits in der Zeit zwischen Gefahrübergang und Eigentumserwerb ein versicherbares Sacherhaltungsinteresse zu, welches er dadurch versichern kann, dass er mit eigenen Rechten und Pflichten in einen bereits bestehenden Gebäudeversicherungsvertrag des Veräußerers eintritt oder einen neuen Gebäudeversicherungsvertrag abschließt (Anschluss an BGH, Urteil vom 17.06.2009 - IV ZR 43/07). Bereits vor Gefahrübergang ist der Abschluss eines Neuvertrags durch den Erwerber als Versicherung für fremde Rechnung möglich, welche nach Gefahrübergang zur Eigenversicherung wird.
2. Wendet sich der Erwerber noch vor Eigentumserwerb an den Versicherer eines mit dem Veräußerer bestehenden Versicherungsvertrags mit dem Anliegen, die bestehende Gebäudeversicherung vorzeitig zu übernehmen und ab sofort für die Beitragszahlung aufzukommen, ist der Versicherer ihm gegenüber zur Beratung gemäß § 6 Abs. 1 VVG verpflichtet. Gleiches gilt für den so kontaktierten Versicherungsvertreter gemäß § 61 Abs. 1 VVG.
3. Im Rahmen dieser Beratung kann es auch geboten sein, dem Erwerber die Möglichkeit des Neuabschlusses einer zusätzlichen Gebäudeversicherung aufzuzeigen. Die bloße Auskunft, eine Übernahme des bestehenden Vertrags sei vor Eigentumsumschreibung nur mit Einverständnis des Versicherungsnehmers möglich, ist dann nicht ausreichend.
Normenkette
BGB § 446; VVG §§ 6, 61, 63, 95
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 29.03.2023; Aktenzeichen 1 O 164/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden - Zivilkammer I - vom 29.03.2023, Az. 1 O 164/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines bei der Beklagten zu 1 versicherten Hausanwesens.
Die frühere Ehefrau des Klägers, Frau Ines-Isabel O. (im Folgenden: Versicherungsnehmerin), war Alleineigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks B.-weg 4 in L., für das sie bei der Beklagten zu 1 eine Wohngebäudeversicherung unterhielt. Der Versicherungsvertrag sah eine vierteljährliche Beitragszahlung vor. Nach ihrer Scheidung vom Kläger übertrug die Versicherungsnehmerin diesem durch notarielle Auseinandersetzungsvereinbarung vom 27.01.2020 das versicherte Hausanwesen gegen Übernahme von Verbindlichkeiten. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 23.10.2020.
Bereits Anfang Februar 2020 hatte die jetzige Ehefrau des Klägers Kati O. (im Folgenden: Zeugin O.) im Büro des Beklagten zu 2, der seinerzeit Generalagent der Beklagten zu 1 war, angerufen, um die Übertragung anzuzeigen und um die Umschreibung der Gebäudeversicherung vor Eigentumswechsel sowie ein Formular für ein SEPA-Lastschriftmandat zur Fortzahlung der Versicherungsbeiträge zu bitten, weil der Kläger befürchtete, die Versicherungsnehmerin könnte die Zahlung einstellen. Im Laufe des Telefonats teilte eine Mitarbeiterin des Beklagten zu 2, die Zeugin W., der Zeugin O. mit, dass eine vorzeitige Vertragsübernahme das Einverständnis der Versicherungsnehmerin voraussetze. Der Gesprächshergang im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig.
Am 12.02.2020 wandte sich die Zeugin W. per eMail an die Versicherungsnehmerin, um ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme einzuholen, die sie in der Folge aber nicht erteilte. Mit eMail vom 16.02.2020 übermittelte die Zeugin O. der Zeugin W. eine Abschrift der notariellen Vereinbarung und bat um Kontaktierung der Versicherungsnehmerin sowie Zusendung der Versicherungspolice nebst SEPA-Mandatsvordruck. Nachdem die zum 01.07.2020 fällige Versicherungsprämie nicht gezahlt und die Versicherungsnehmerin von der Beklagten zu 1 durch Schreiben vom 19.08.2020 erfolglos i.S. von § 38 Abs. 1 VVG gemahnt worden war, trat am 13.09.2020 der Versicherungsfall ein, indem ein Leck der Hausanschlussleitung für Frischwasser zu einer Unterspülung auf dem versicherten Anwesen sowie Feuchtigkeitsschäden innerhalb des Baukörpers führte. Im Hinblick auf den bestehenden Prämienverzug lehnte die Beklagte zu 1 im Dezember 2020 die Erbringung von Versicherungsleistungen ab. Im März 2021 beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit seiner außergerichtlichen Interessenwahrnehmung, welche die Beklagte erfolglos zur Schadensregulierung aufforderten.
Der Kläger hat in erster Instanz behauptet,
im Telefonat mit der Zeugin O....