Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkrete Verweisung eines Profisportlers in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem Profisportler, der die mit sehr hohem Einkommen verbundene Berufstätigkeit typischerweise nur für einen begrenzten Zeitraum und nicht bis zum Rentenalter ausüben kann, ist die bisherige Lebensstellung durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte - sportliche - Berufstätigkeit geprägt. Eine Verweisungstätigkeit, die die bisherige Lebensstellung wahren soll, darf deshalb auch hinsichtlich der Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau dieses zuletzt ausgeübten Berufes liegen.
2. In diesen Fällen kann allerdings eine deutlich höhere Einkommenseinbuße als gewöhnlich für die Wahrung der Lebensstellung unschädlich sein.
Normenkette
VVG §§ 172, 174
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 20.02.2024; Aktenzeichen 8 O 100/23) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 20.02.2024, Az. 8 O 100/23, wie folgt abgeändert:
1.1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 10.678,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus Teilbeträgen von jeweils 2.024,18 EUR ab dem 01.11.2022, dem 01.12.2022, dem 01.01.2023, dem 01.02.2024 und dem 01.03.2024 sowie aus einem weiteren Teilbetrag von 111,48 EUR ab dem 22.12.2022 und aus einem weiteren Teilbetrag von 445,92 EUR ab dem 08.03.2022 zu zahlen.
1.2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 2.024,18 EUR, zahlbar monatlich im Voraus, beginnend ab dem 01.04.2023 bis längstens zum 01.12.2041 zu zahlen.
1.3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.04.2023 bis längstens zum 01.12.2041 von seiner Verpflichtung zur Beitragszahlung aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer ... freizustellen.
1.4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die sich aus der Überschussbeteiligung ergebende Zusatzrente für die Versicherung mit der Versicherungsscheinnummer ..., die im Zeitraum vom 01.11.2022 bis zum 31.03.2023 fällig geworden ist, abzurechnen und an den Kläger auszuzahlen.
1.5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die sich aus der Überschussbeteiligung ergebende Zusatzrente aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer ... an den Kläger monatlich im Voraus, beginnend ab dem 01.04.2023 bis längstens zum 01.12.2041 zu zahlen.
1.6. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die ... zur Schadennummer ... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.438,67 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 08.11.2024 zu zahlen.
1.7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1.8. Die Beklagte zu 2) hat die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz zu tragen. Hiervon ausgenommen bleiben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) im erstinstanzlichen Verfahren, die der Kläger zu tragen hat.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 2) Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Der 1982 geborene Kläger schloss bei der Beklagten zu 2) mit Wirkung zum 01.12.1999 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Dem lag ein Antrag des Klägers vom 17.11.1999 (Anlage B1) zugrunde, in dem er eine berufliche Tätigkeit als angestellter Bankkaufmann angegeben hatte. Die vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente belief sich zuletzt auf 2.024,18 EUR. Die vereinbarte Leistungsdauer für die Berufsunfähigkeitsrente im Versicherungsfall endet am 01.12.2046, die ggf. vereinbarte Beitragsbefreiung am 01.12.2041. Dem Vertrag liegen neben den Bestimmungen im Versicherungsschein (vgl. Anlage K1) die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung sowie die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im Folgenden: BBUZ) zugrunde (vgl. Anlage K2).
In § 2 Nr. 1 BBUZ findet sich folgende Regelung zur Berufsunfähigkeit:
"a) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf auszuüben, es sei denn, sie übt eine andere, ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit aus oder könnte als Selbständiger, nach zumutbarer Umorganisation ihres Betriebes, eine ihrer bisherigen Lebensstellung entsprech...