Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorvertragliche Aufklärungspflichten eines Unternehmers, der eine beschädigte Abwasserleitung instandsetzt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Instandsetzung von beschädigten Abwasserleitungen im sogenannten Inlinerverfahren ist heute eine jedem Fachmann bekannte Standardmethode bei der Sanierung und Reparatur von Abwasserleitungen.

2. Schlägt ein Unternehmer für Haustechnik einem Grundstückseigentümer vor, eine beschädigte Abwasserleitung durch die Verlegung einer neuen Leitung auf dem Grundstück zu ersetzen, muss er den Auftraggeber gegebenenfalls darauf hinweisen, dass eine Sanierung der alten Leitung im Inlinerverfahren möglicherweise wesentlich kostengünstiger wäre. Wenn Inlinersanierungen nicht zum eigenen Leistungsspektrum des Unternehmers gehören, ändert dies nichts.

3. Wenn der Grundstückseigentümer bei zutreffender Aufklärung ein anderes Unternehmen mit einer Sanierung der Abwasserleitung im Inlinerverfahren beauftragt hätte, kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Haustechnikunternehmer wegen der durch die Neuverlegung entstandenen Mehrkosten in Betracht.

4. Für die Feststellung eines Schadens des Grundstückseigentümers kommt es darauf an, ob eine Inlinersanierung erfolgreich gewesen wäre. Dabei ist gemäß § 287 Abs. 1 ZPO eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Die Wahrscheinlichkeit kann im Rechtsstreit durch das Gutachten eines Sachverständigen abgeschätzt werden, der einerseits die von ihm festgestellten örtlichen Verhältnisse berücksichtigt und andererseits die in Fachkreisen bekannten Erfahrungen mit Inlinersanierungen.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Ziff. 2; ZPO § 287 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 30.07.2020; Aktenzeichen 5 O 166/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten/Widerklägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz - K 5 O 166/17 - vom 30.07.2020 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin Verurteilt, an den Beklagten 3.963,86 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2017.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 3/4, der Beklagte zu 1/4.

III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen die Beteiligten wie folgt:

1. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte.

2. Die Klägerin und der Beklagte tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

3. Die Gerichtskosten im Verfahren vor dem Landgericht tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche der Klägerin einerseits und Schadensersatzansprüche des Beklagten andererseits nach der Instandsetzung einer Abwasserleitung durch die Klägerin auf einem Grundstück des Beklagten.

Der Beklagte war Eigentümer des Anwesens Sch.straße 1 in S.. Im Jahr 2016 kam es im Außenbereich auf dem Grundstück des Beklagten zu einem Bruch der Abwasserleitung. Zur Identifizierung der Schadensstelle wurde zunächst von einer Drittfirma ein Stück der in mehr als 3 m Tiefe verlegten Leitung aufgegraben. Nachdem die Stelle des Rohrbruchs bereits identifiziert war, wandte sich der Beklagte für die Instandsetzung an die Klägerin, die ein Unternehmen für Haustechnik betreibt. Die Klägerin erstellte zunächst ein Angebot für eine Reparatur der auf einer Länge von etwa 7 Meter freigelegten Abwasserleitung einschließlich des Baues eines Anschlussschachts. Die Klägerin veranschlagte für die angebotenen Arbeiten einen Betrag von 4.693,96 EUR (vgl. die Anlage B 1). Gleichzeitig wurde der nicht freigelegte Teil der Abwasserleitung auf dem Grundstück des Beklagten sowohl von der Klägerin als auch von einem (vom Beklagten beauftragten) Rohrreinigungsunternehmen mit einer Kamera befahren, um eventuelle weitere Schäden festzustellen. Dabei wurde festgestellt, dass sich auch im nicht freigelegten Teil der etwa 50 Jahre alten Abwasserleitung Beschädigungen und Beeinträchtigungen des Wasserabflusses befanden, insbesondere durch Verschmutzungen und eingedrungene Wurzeln.

Die Ehefrau des Beklagten verhandelte in dessen Auftrag mit dem für die Klägerin handelnden Mitarbeiter, dem Drittwiderbeklagten T. K., über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Instandsetzung der Abwasserleitung. Der Drittwiderbeklagte erklärte der Ehefrau des Beklagten, es sei erforderlich und zweckmäßig, die gesamte Abwasserleitung auf dem Grundstück zu erneuern, da die Kamerabefahrung Defekte an mehreren Stellen ergeben habe. Es sei nicht ausreichend, die Abwasserleitung nur im Bereich der (bereits aufgegrabenen) Bruchstelle zu erneuern. Da sich die alte Leitung zu einem großen Teil unterhalb einer Terrasse befinde, müsse die neue Leitung in einem anderen Bereich des Grundstücks - außerhalb der Terrasse - verlegt werden. Auf der Grundlage dieser Info...

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