Leitsatz (amtlich)
1. Übernimmt ein Arbeitnehmer die Bürgschaft für eine Schuld des Alleingesellschafters seiner Arbeitgeberin, die dieser zur Beseitigung der Überschuldung der Gesellschaft übernommen hat, ohne angemessenen Ausgleich, verstößt dies gegen die guten Sitten.
2. Dass der Arbeitnehmer im Anstellungsvertrag als "Leitender Angestellter" bezeichnet worden ist, steht dem nicht notwendig entgegen.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen 6 O 89/06 A) |
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits, den die Klägerin - eine Sparkasse - im Urkundenprozess führt, sind Ansprüche aus einer vom Beklagten am 21.11.2002 unterzeichneten Bürgschaft. An diesem Tag hat der Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft i.H.v. 100.000 EUR für eine Schuld des H.J.V., Alleingesellschafter der V. GmbH, übernommen. Die Schuld ist in der Urkunde als "im Wege der Schuldübernahme übernommener Rahmenkredit über 515.000 EUR, der bis zum 20.11.2002 der Firma V. GmbH gewährt wurde," beschrieben. Die Erklärung enthält des Weiteren die Erklärung, dass dem Beklagten bekannt sei, dass der Rahmenkredit zur Abwendung der Überschuldung der Firma Vogt GmbH übernommen worden sei. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Bürgschaft sittenwidrig sei. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet, weil, was aufgrund der Urkundslage in Verbindung mit den unstreitigen Tatsachen feststeht, die der Klägerin gewährte Bürgschaft nach § 138 BGB sittenwidrig ist. Der Beklagte ist nämlich am wirtschaftlichen Risiko seines Arbeitgebers in gegen die guten Sitten verstoßender Weise beteiligt worden. Dieser Erkenntnis durfte sich die Klägerin nicht verschließen
I. Dass die der Klägerin gewährte Bürgschaft sittenwidrig ist, ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Beklagte, was zwischen den Parteien streitig ist, nicht einmal die Zinsleistungen aus dem gesicherten Darlehen erbringen kann. Der Beklagte hat nämlich eine betragsmäßig beschränkte Bürgschaft übernommen, bei der der Bürgschaftsbetrag einschließlich Nebenleistungen, insbesondere Zinsen und Kosten auf 100.000 EUR beschränkt war. Ein Anwachsen der gesicherten Schuld durch Zins- und Zinseszins konnte den Beklagten nach Erreichen des Höchstbetrages nicht berühren, so dass etwaige Zahlungen auf die Bürgenschuld unmittelbar die Schuld des Beklagten verringert hätten. Die Rechtsprechung, wonach eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen deshalb vorliegt, weil er voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein wird, die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen, ist deshalb nicht einschlägig.
II. Anerkanntermaßen ist eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Verlust seines Arbeitgebers jedenfalls dann sittenwidrig und damit nichtig, wenn dafür kein angemessener Ausgleich erfolgt. Eine arbeitsvertragliche Vergütungsregelung verstößt gegen die guten Sitten i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Vergütungsabrede eine Verlustbeteiligung des Arbeitnehmers vorsieht (vgl. BAG NJW 1991, 860; LAG Hamm LAG-Report 2004, 254; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis 6. Aufl., § 612 BGB Rz. 7). In derselben Weise ist eine Bürgschaft des Arbeitnehmers zu bewerten, die dieser dem Kreditgeber des Arbeitgebers gewährt hat (vgl. BGHZ 156, 302). Der Kreditgeber hat kein berechtigtes Interesse, dass Mitarbeiter des Hauptschuldners Bürgschaften stellen (vgl. KGReport Berlin 1997, 264; OLGReport Celle 2000, 42; Seifert NJW 2004, 1707). Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall der Sicherung der von dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter übernommenen Schuld des Arbeitgebers.
III. Mit der Erklärung vom 21.11.2002 hat der Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft i.H.v. 100.000 EUR für eine Schuld des H.J.V. übernommen, die jener im Wege der Schuldübernahme vom selben Tage zur Entlastung der V. GmbH, deren Alleingesellschafter er war, eingegangen war. Ausweislich der Bürgschaftsurkunde hatte H.J.V. den voll ausgeschöpften Rahmenkredit i.H.v. 515 000 EUR zur Abwendung der Überschuldung der Firma übernommen. Die Übernahme der Bürgschaft für die persönliche Schuld des H.J.V. erfolgte, wie die Klägerin in ihrem Bearbeitungsvermerk vom 31.11.2002 festgehalten hat, aus dem Eigeninteresse des Beklagten als "leitendem Angestellten der V. GmbH". Angekreuzt ist nämlich: "Der Bürge hat folgendes Eigeninteresse bzw. folgende Eigenvorteile aus dem verbürgten Kredit angeführt: Leitender Angestellter". Die dargestellte Interessenlage hat die Klägerin in der Klagschrift wie folgt beschrieben: Um den Fortbestand des Unternehmens nicht zu gefährden, hätten die Vertreter der GmbH der Klägerin vorgeschlagen, dass der Geschäftsführer der Vogt GmbH, Herr H.J.V. privat die im Zusammenhang mit dem Rahmenkredit über 515.000 EUR bestehenden Verbindlichkeiten der GmbH übernehmen solle. Zur Sicherung der Forderung der Klä...