Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsverteilung bei Kollision mit einem LKW aufgrund unvorsichtigen Öffnens der Fahrertür
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Fahrer eines LKW darf innerorts auch dann mit einem Abstand von 30-35 cm vom rechten Fahrbahnrand fahren, wenn neben der Fahrbahn Fahrzeuge geparkt sind.
2. Kommt es zu einem Unfall aufgrund unvorsichtigen Öffnens der Tür eines PKW, so haftet der LKW-Fahrer allenfalls im Rahmen der Betriebsgefahr mit einem Anteil von bis zu 30%.
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 30.09.2005; Aktenzeichen 1 O 72/05) |
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, bei dem der vom Beklagten Ziff. 1 gesteuerte Lkw mit der geöffneten Fahrertür des rechts neben der Fahrbahn geparkten Pkw des Klägers kollidierte. In 1. Instanz hat der Kläger zunächst 100 % seines Schadens - 8.034,81 EUR - geltend gemacht. Nachdem die Beklagte Ziff. 2 30 % - nämlich 2.446,77 EUR - bezahlt hatte, haben die Parteien insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat nach Vernehmung des Zeugen PK W... und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage - mit Ausnahme einer Zinsforderung - abgewiesen.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K... sei davon auszugehen, dass der Kläger die Fahrertür in dem Moment geöffnet habe, als der Lkw an ihm vorbeifuhr.
Es sei nicht bewiesen, dass der Beklagte Ziff. 1 einen zu geringen Seitenabstand eingehalten habe. Laut Sachverständigem sei wahrscheinlich, dass der Lkw in einem Abstand von ca. 30 - 35 cm zum rechten Fahrbahnrand fuhr. Bei einer Gesamtfahrbahnbreite von 6,50 m und einer Breite des Lkw von 2,50 m betrage der Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand bei mittiger Fahrweise 38 cm.
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, dass der Beklagte Ziff. 1 bei einem Seitenabstand von ca. 30 - 35 cm gegen § 6 StVO verstoßen habe. Dies führe zu einer deutlich erhöhten Betriebsgefahr, so dass das Landgericht zu einer Haftungsverteilung von 50 : 50 hätte gelangen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn 1.570,64 EUR zzgl. 5 % Zins p.a. über dem Basiszinssatz aus 4.017,41 EUR vom 01.02.2005 bis 31.03.2005 und aus 1.570,64 EUR seit 01.04.2005 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Dem Kläger steht über den bereits bezahlten Betrag hinaus kein weitergehender Schadensersatzanspruch gem. §§ 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG zu.
1. In der Berufungsinstanz ist nicht mehr streitig, dass der Kläger die Fahrertür unvorsichtig geöffnet und damit gegen § 14 StVO verstoßen hat.
2. Dem Beklagten Ziff. 1 fällt hingegen kein Verschulden zur Last. Der von ihm eingehaltene Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand war nicht zu gering (§ 2 Abs. 2 StVO). Dieser sollte zwar in der Regel 50 cm nicht unterschreiten (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 2 StVO Rdnr. 41 m.w.N.). Dies kann jedoch auf schmalen Straßen naturgemäß nicht immer eingehalten werden.
§ 1Nach den Messungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K... betrug die Fahrbahnbreite 6,50 m. Das heißt, wenn der Lkw des Beklagten Ziff. 1 mittig auf der rechten Fahrspur fährt, verbleibt ein Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand von 38 cm.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 in etwa mittig auf der rechten Fahrspur fuhr angesichts dessen, dass der Sachverständige den Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand auf ca. 30 - 35 cm geschätzt hat.
Dem Beklagten Ziff. 1 ist nicht vorzuwerfen, dass er, statt mittig auf der rechten Fahrspur zu fahren, sich nicht weiter zur Fahrbahnmitte hin orientierte. Zum Unfallzeitpunkt - um 7.00 Uhr an einem Werktag im Dezember - herrschte Berufsverkehr, und es war dunkel. Der Beklagte Ziff. 1 mußte jederzeit damit rechnen, dass Gegenverkehr kommt, weshalb er gehalten war, möglichst weit rechts zu fahren (§ 2 Abs. 2 StVO).
Im übrigen ist nicht bewiesen, dass die Innenbeleuchtung im Pkw des Klägers brannte, so dass der Beklagte Ziff. 1 ihn in seinem Fahrzeug sitzend hätte wahrnehmen und eventuell ausweichen können.
Schließlich stand der Pkw des Klägers auch nicht unmittelbar am Fahrbahnrand, sondern ca. 50 cm vom Bordstein entfernt; der Lkw hielt also zum Pkw des Klägers einen Seitenabstand von mehr als 80 cm ein.
Somit liegt auch kein Verstoß gegen § 6 StVO vor.
3. Wägt man gem. § 17 Abs. 1 S. 2 StVG die bewiesenen bzw. unstreitigen (vgl. BGH NJW 1995, 1029, 1030) Verursachungsbeiträge der Parteien gegeneinander ab, so fällt das unachtsame Öffnen der Fahrertür durch den Kläger deutlich stärker ins Gewicht als die Betriebsgefahr des Lkw mit Anhänger, der erlaubterweise einen geringen Seitenabstand zum ...