Leitsatz (amtlich)
Wendet sich ein Energieversorger an einen ehemaligen Kunden, um ihm, unter Nutzung der im Zusammenhang mit der Kündigung des Stromlieferungsvertrags erlangten Information darüber, zu welchem neuen Stromlieferanten der Kunde gewechselt ist, ein Angebot zu unterbreiten, in dem er den eigenen Tarif demjenigen des neuen Stromlieferanten gegenüberstellt, liegt darin ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 4, 28 BDSG.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 22 O 18/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mannheim vom 9.2.2011 (Az. 22 O 18/10) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung gem. Ziff. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 150.000 abgewendet werden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Vollstreckung Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil des LG Mannheim vom 9.2.2011 (Az. 22 O 18/10) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber bei der Strombelieferung von Privatkunden. Sie streiten darüber, inwieweit die Beklagte berechtigt war, frühere Kunden unter Verwendung der Information, dass diese zur Klägerin gewechselt haben, zu dem Zweck anzuschreiben, diese Kunden zum Rückwechsel zur Klägerin zu veranlassen.
Unter dem 14.2.2009 schrieb die Beklagte einen ihrer früheren Kunden an, der mit Wirkung zum 31.12.2007 das Vertragsverhältnis zu der Beklagten gekündigt hatte und seit dem 1.1.2008 Kunde der Klägerin ist. Unter demselben Datum schrieb die Beklagte einen weiteren ihrer ehemaligen Kunden an, der das Lieferverhältnis zur Beklagten mit Wirkung zum 31.7.2008 gekündigt hatte und seit dem 1.8.2008 Kunde der Klägerin ist. In beiden Schreiben nutzte die Beklagte die ihr im Rahmen der Vertragsbeendigung zur Kenntnis gelangte Information, dass die beiden Kunden zur Klägerin gewechselt hatten, indem sie einen ihrer aktuellen Stromtarife dem Stromtarif der Klägerin vergleichend gegenüberstellte.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit dieser Vorgehensweise gegen § 4 Abs. 1 BDSG, weil die Werbung nicht nach § 28 BDSG erlaubt sei. Dies begründe nach §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
Der Beklagten wird es bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, für den Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ehemalige eigene Kunden zum Zwecke der Werbung anzuschreiben, wenn sie hierbei die anlässlich der Vertragsbeendigung durch den Kunden erhaltene Information nutzt, dass diese zur Klägerin gewechselt sind und eine Einwilligung der Kunden in die Nutzung dieser Information nicht vorliegt, insbesondere wenn dies geschieht wie aus der Anlage zu diesem Urteil ersichtlich.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG der Klage stattgegeben.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Prozessziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das LG die Nutzung der Information über den neuen Stromversorger als Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG angesehen.
1. Mit der Versendung der Werbeschreiben hat die Beklagte eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen (zu diesem - in § 4 Nr. 11 UWG nicht ausdrücklich erwähnten - Erfordernis vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rz. 11/26; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rz. 11.23). Diese verstößt gegen § 4 Abs. 1 BDSG, denn die Nutzung personenbezogener Daten (Name und Anschrift früherer eigener Kunden, jetziger Kunden der Klägerin) ohne Einwilligung der Kunden zum Zweck der Versendung eines individuellen Werbeschreibens war nicht gem. § 28 Abs. 1 bis 3 BDSG erlaubt.
a) Eine Einwilligung der Kunden darin, dass die Beklagte die Information über den neuen Versorger für Werbezwecke nutzt, liegt nicht vor. Sie kann insbesondere, worauf das LG zutreffend hingewiesen hat, nicht in dem Umstand erblickt werden, dass die Kunden die Klägerin als neuen Versorger zur Vornahme der Kündigung bevollmächtigt und beauftragt haben. Mit einem solchen an den neuen Versorger gerichteten Auftrag nimmt der Kunde - wenn er sich darüber überhaupt Gedanken macht - allenfalls in Kauf, dass der bisherige Versorger erfährt, wer der neue Versorger ist. Das hat mit der Erlaubnis zur Nutzung dieser Information durch den bisheri...