Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegendarstellung: Angemessener Umfang; Zulässigkeit erklärender Zusätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betroffene kann der in einer Erstmitteilung enthaltenen Bezeichnung als "Krebsarzt" mit der Gegendarstellung die Behauptung entgegensetzen, dass er ausschließlich als forschender und publizierender, nicht aber als praktizierender Mediziner tätig sei.

2. Eine Gegendarstellung braucht sich nicht darauf zu beschränken, die in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung als falsch zu bezeichnen und ihr eine andere Tatsachenbehauptung gegenüberzustellen. Vielmehr ist ein erklärender Zusatz zulässig, soweit dieser zum Verständnis der Erwiderung notwendig ist.

3. Eine Gegendarstellung ist nicht von unzulässiger Länge, wenn die Zusammenfassung einer in zwei Sätzen erfolgenden Aussage in einem einzigen Satz zwar möglich wäre, dies aber nicht zu einer wesentlichen Verkürzung des Textes führen würde.

 

Normenkette

Bad.-württ. LPG § 11

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 11.05.2007; Aktenzeichen 2 O 119/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 11.5.2007 - 2 O 119/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

III. Der Streitwert wird für die Berufung auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der (Verfügungs-)Kläger ist in der Krebsforschung tätiger Mediziner. In der Ausgabe Nr. 12/2007 vom 17.3.2007 der von der (Verfügungs-)Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "N. W." wurde auf S. 17 unter der Überschrift "Krebstod, weil Eltern Vitamin-Guru glaubten" über den Tod eines Kindes berichtet, welches ein Vitamin-Präparat angewendet hatte, das Gegenstand der Forschungen des Klägers gewesen war.

Aufgrund dieser Veröffentlichung hat der Kläger beantragt, die Beklagte zum Abdruck einer Gegendarstellung zu mehreren der in dem Artikel enthaltenen Äußerungen zu verpflichten.

Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im Einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Auf den Hilfsantrag und unter Abweisung des Hauptantrags hat das LG die Beklagte zum Abdruck einer Gegendarstellung gemäß der Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung verurteilt.

Während der Kläger das landgerichtliche Urteil hinnimmt, verfolgt die Beklagte mit der Berufung ihr Begehren auf Zurückweisung auch des Hilfsantrags weiter. Sie ist der Auffassung, die Gegendarstellung des Klägers, zu deren Abdruck das LG die Beklagte verurteilt hat, stelle in Bezug auf Nr. 1 lit. a keine Erwiderung auf die Erstmitteilung dar und sei in Bezug auf Nr. 1 lit. b und lit. c, Nr. 2 und Nr. 3 "geschwätzig", d.h. unangemessen lang. Somit entspreche sie insoweit nicht den gem. § 11 bad.-württ. LPG an eine Gegendarstellung zu stellenden Anforderungen. Nach dem Grundsatz "ganz oder gar nicht" müsse die Gegendarstellung daher insgesamt nicht abgedruckt werden. - Ferner beanstandet die Beklagte die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Was die Beklagte gegen das landgerichtliche Urteil vorbringt, greift nicht durch.

1. Nr. 1 lit. a der Gegendarstellung lautet:

"Ich praktiziere nicht als Arzt. Ich bin ausschließlich forschender und publizierender Mediziner".

Sie bezieht sich auf folgende Erstmitteilung:

"Der Neunjährige starb an Knochenkrebs, weil seine Eltern den Theorien des selbsternannten Krebsarztes Dr. M. R. (51) glaubten".

a) Die Beklagte meint, mit ihrer Gegendarstellung wende sich die Klägerin nicht gegen eine mit der Erstmitteilung aufgestellte Behauptung: Indem sie - Beklagte - den Kläger als "Krebsarzt" bezeichnet habe, habe sie ihn der Berufsgruppe der Heilkundigen zugeordnet. Damit sei aber nicht gesagt worden, dass er selber als praktizierender Arzt behandele. Um letzteres zum Ausdruck zu bringen, hätte es der Verwendung eines Begriffs wie "Krebsdoktor" o.Ä. bedurft.

b). Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Maßgeblich für die Interpretation des Sinngehalts veröffentlichter Äußerungen ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (vgl. die Nachweise bei Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rz. 4.4).

Die Auffassung der Beklagten, wonach der praktizierende Heilkundige nicht als "Arzt", sondern ausschließlich als "Doktor" bezeichnet werde, ist nicht richtig. Das Wort "Arzt" stellt die Berufsbezeichnung für Personen dar, die nach einer wissenschaftlichen Ausbildung "den Heilberuf ausüben und zum Führen dieser Bezeichnung aufgrund der Approbation berechtigt" sind (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Stichwort "Arzt"). Demgemäß wird der praktizierende Mediziner üblicherweise als "Arzt" bezeichnet. Daran ändert nichts der Umstand, dass umgangssprachlich der Arzt bisweilen auch als "Doktor" bezeichnet wird. Im Zusammenhang mit einer Gebietsbezeichnung (Augenarzt, Zahnarzt) w...

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