Leitsatz (amtlich)
1. Die Beschränkung der Streupflicht auf das zumutbare Maß führt dazu, dass bei ansonsten trockenem Wetter keine fortlaufende Beseitigung bloßer Tropfeisbildung verlangt werden kann.
2. Auch zu vorbeugenden Streumaßnahmen ist der Verkehrssicherungspflichtige nicht verpflichtet, da eine Streupflicht erst bei konkreter Glatteisbildung besteht. Von diesem Grundsatz ist keine Ausnahme zu machen, wenn nicht voraussehbar ist, dass an der Unfallstelle Wasser von einer Straßenlaterne tropft und am Boden gefriert.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 06.11.2007; Aktenzeichen 2 O 203/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 6.11.2007 - 2 O 203/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz materieller und immaterieller Schäden im Zusammenhang mit einem Glatteisunfall am 18.1.2006. Ferner begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte für zukünftig auftretende unfallbedingte Beeinträchtigungen haftet. Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld von 10.000 EUR sowie zum Ersatz materiellen Schadens von 6.577,36 EUR verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle zukünftig aus der Unfallverletzung vom 18.1.2006 entstehenden materiellen Schäden hälftig und künftig entstehende immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens zu ersetzen hat. Zur Begründung führt das LG aus, dass die Klägerin auf einer Eisplatte auf dem Gehweg der W.-Allee vor einem Grundstück der Stadt Pforzheim gestürzt sei. Die Beklagte habe am Unfalltag im Bereich der Sturzstelle keinen Winterdienst durchgeführt und sei somit ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Hierzu sei sie jedoch verpflichtet gewesen, da der Gehweg der W.-Allee nicht von untergeordneter Bedeutung sei, sondern es sich um den einzigen Fußweg handle, um von dem dort befindlichen Parkplatz zum S-Krankenhaus zu gelangen. Die Klägerin treffe jedoch ein hälftiges Mitverschulden an der Entstehung des Schadens, da sie die Eisfläche bei Einhaltung der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte erkennen und sie umgehen können.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung den Klageantrag weiter soweit ihre Schmerzensgeldforderung teilweise abgewiesen wurde. Zur Begründung trägt sie vor, dass unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzungen und der Dauer der Behandlungen sowie der fortbestehenden Beeinträchtigungen beim Laufen auch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 EUR angemessen sei.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung den Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie nicht damit rechnen konnte, dass es zu einer Glatteisbildung auf dem Gehweg der W.-Allee durch herabtropfendes Tauwasser einer Straßenlaterne komme. Bei der Durchführung des Winterdienstes am Tag vor dem Unfall der Klägerin habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Da die Temperaturen in den vorangegangen Nächten um 4 Grad plus geschwankt hätten, sei es auch nicht vorherzusehen gewesen, dass von einer Laterne Tauwasser auf den Boden tropft und es dort zu Glatteisbildung kommt. Das vom LG angenommene Mitverschulden der Klägerin mit 50 % sei zu niedrig angesetzt. Vielmehr sei von einem Mitverschulden von 100 % auszugehen, wenn es zutreffe, dass die Klägerin auf einer Eisfläche von 1 m2 bis 1,5 m2 gestürzt sei, da sie diese habe sehen müssen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, während die zulässige Berufung der Klägerin unbegründet ist.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der durch den Unfall vom 18.1.2006 erlittenen materiellen und immateriellen Schäden gem. § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG, da keine für den Unfall ursächliche Streupflichtverletzung der Beklagten festgestellt werden kann.
Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen, wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt, sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherun...