Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufstockungsunterhalt bei geringer Einkommensdifferenz

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB kann auch bei geringer Einkommensdifferenz bestehen.

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Lörrach (Urteil vom 11.12.2008; Aktenzeichen 10 F 596/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengerichts - Lörrach vom 11.12.2008 (10 F 596/08) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen laufenden nachehelichen Unterhalt für die Zeit von Juli bis Dezember 2008 von monatlich 161 EUR und ab Januar 2009 von monatlich 63 EUR zu zahlen. Der Ehegattenunterhalt ist jeweils im Voraus bis zum Dritten eines Monats fällig.

b) Die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von nachehelichen Unterhalt wird befristet bis zum Ablauf des 31.12.2016.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz trägt die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 % und von den Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz trägt die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um den nachehelichen Unterhalt der Klägerin.

Die Parteien haben am 1.6.1984 geheiratet und leben seit Juli 2004 von einander getrennt. Das Ehescheidungsverfahren vor dem Familiengericht Lörrach wurde im Oktober 2005 rechtshängig. Die Ehe der Parteien wurde geschieden durch Urteil des Familiengerichts Lörrach vom 27.4.2006 (10 F 351/05), rechtskräftig seit dem 9.6.2006. Aus der Ehe der Parteien sind drei Kinder hervorgegangen:

  • R (geboren 1984): Der Sohn steht in einem Beschäftigungsverhältnis als Werkzeugmacher und ist nicht unterhaltsbedürftig.
  • J (geboren am ...1987, volljährig): J befindet sich derzeit in einer Berufsausbildung in Radolfzell;
  • S (geboren am ...1991, volljährig): S ist noch Schülerin und lebt bei der Klägerin.

Das Einkommen beider Parteien ist zwischen diesen streitig. Der Beklagte ist in Vollzeit bei einer Firma W. E. GmbH in M. beschäftigt. Für das Jahr 2007 ergab sich ein Jahresnettoeinkommen von 26.298,30 EUR. Unstreitig sind hiervon Aufwendungen für die Fahrtkosten der Fahrtstrecke von W. nach M. abzusetzen (nach dem angefochtenen Urteil jetzt unstreitig 387 EUR im Monat), Kindesunterhalt für S (307 EUR) und Kindesunterhalt für J (245 EUR). In 2008 hatte der Beklagte eine Steuererstattung für 2007 von 554,68 EUR erhalten (monatlich 46,22 EUR) und für 2006 eine Nachzahlung von 190,96 EUR zu leisten (15,91 EUR). Der Beklagte macht darüber hinaus eine zusätzliche Altersvorsorge geltend: So erbringt der Beklagte Beiträge für eine Direktversicherung von jährlich 1.227,10 EUR (monatlich 102,25 EUR), die direkt von seinem Lohn einbehalten werden; für eine Lebensversicherung bei der V. wendet er monatlich 94,80 EUR auf.

Darüber hinaus haben die Parteien unstreitig zusätzliches Mieteinkommen aus einer im hälftigen Miteigentum der Parteien stehenden Eigentumswohnung in der E. Straße ... in W. Die Kaltmiete beträgt 280 EUR, die hälftig zwischen den Parteien geteilt wird.

Die Klägerin hat nur geringes Einkommen: So war sie in der Zeit von März 2007 bis Dezember 2007 aushilfsweise als Küchenhilfe für die G. GmbH tätig. Anschließend war sie bis zum 10.10.2008 arbeitslos und danach als Teilzeitkraft bei einem Fitnesscenter O. berufstätig mit monatlich 336 EUR. Ab Januar 2009 übt die Klägerin eine (nahezu) Halbtagstätigkeit bei dem Postvertriebsversand K. aus (18-23 Std./Woche). Die Klägerin gibt ihr monatliches Nettoeinkommen mit 475,40 EUR an. Hinzu komme ein geringes Einkommen als Fußpflegerin von 280 EUR. Inwieweit die Klägerin darüber hinaus eine Erwerbsobliegenheit trifft, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie mit ihren nachgewiesenen Bewerbungsbemühungen ihrer Erwerbsobliegenheit nachgekommen sei. Sie habe von 1980 bis 1983 eine Ausbildung als Fotogravurzeichnerin vor der Ehe absolviert. Diese sei jedoch im Hinblick auf die technische Entwicklung des Computerzeitalters jetzt nicht mehr verwendbar. Während der Ehe sei im Jahre 2001 eine Fortbildung zur Ayurvedamasseurin und zur Fußpflegerin erfolgt. Auch habe die Klägerin zeitweise die Tätigkeit einer Schneiderin ausgeübt. Ausweislich des vorgelegten Bewerbungskonvoluts habe die Klägerin sich vielfältig um Stellen bemüht, so als Küchenhilfe, als Reinigungskraft und in der Altenpflege. Wegen ihres Alters habe sie keine Aussicht auf eine vollschichtige Berufstätigkeit. Höheres Einkommen als das ab dem 1.1.2009 beim Postvertriebsversand K. erzielte Einkommen sei nicht erzielbar. Dieses entspreche - zusammen mit der selbständigen Tätigkeit als Fußpflegerin - nahezu einer vollschichtigen Tätigkeit.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin ihrer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Sie habe sich nicht angemessen durch Eigeninitiative um eine vollschichtige E...

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