Verfahrensgang

LG Heidelberg (Aktenzeichen 3 O 496/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 07.05.2020 - 3 O 496/19 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.128,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2020 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin zu 24 % und die Beklagte zu 76 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 53 % und die Beklagte zu 47 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines finanzierten Neuwagens mit V6 3.0 l TDI-Dieselmotor (Emissionsklasse Euro 6) geltend.

Die Klägerin erwarb aufgrund Kaufvertrages vom 25.06.2014 (Anlage K1) vom Audi Zentrum Heidelberg GmbH einen Audi A5 Sportback 3.0 TDI als Neuwagen zum Kaufpreis von 66.407,75 EUR. Den Kauf finanzierte sie mit einem Darlehen der Audi Bank. Im Zusammenhang mit der Finanzierung wurde der Klägerin ein verbrieftes Rückgaberecht zum Rückkaufpreis von 35.647,20 EUR eingeräumt. Hiervon machte sie im November 2017 Gebrauch und gab das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 46.528 km zurück. Die Audi Zentrum ... GmbH zahlte daraufhin die Abschlussrate in Höhe von 35.647,20 EUR an die Audi Bank. Für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (nachfolgend: KBA) einen verpflichtenden Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung an, da das Fahrzeug über eine nur auf dem Prüfstand wirkende Aufheizstrategie verfügt, die dafür sorgt, dass der NOx-Grenzwert dort sicher eingehalten wird.

Die Klägerin hat vorgetragen, in dem Fahrzeug sei ein Dieselmotor des Typs EA 897 verbaut. Dieser Motor sei vom Dieselskandal betroffen. Bei der in dem Fahrzeug zur Optimierung der Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren eingesetzten schadstoffmindernden Aufheizstrategie handle es sich um eine unerlaubte Abschalteinrichtung. Die Beklagte sei der Klägerin deshalb wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Manipulation sei aus unsittlichem Gewinnstreben erfolgt. Eine derartige systematische Manipulation habe nicht ohne Kenntnis des Vorstands oder leitender Angestellter erfolgen können. Der Klägerin sei ein Schaden in Form eines merkantilen Minderwerts entstanden, der mit 20 % des Kaufpreises zu bemessen sei. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte die Klägerin das Fahrzeug 20 % günstiger kaufen können.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie nehme zwar auf Anordnung des KBA eine Aktualisierung der Motorensoftware der Fahrzeuge vom streitgegenständlichen Typ vor. Das KBA habe das Software-Update für Fahrzeuge dieses Typs bereits freigegeben. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei in dem Fahrzeug jedoch kein Motor des Typs EA 897, sondern ein Motor des Typs EA 896 Gen2 Vorerfüller verbaut. Die Ausführungen der Klägerin gingen daher bereits am hier streitgegenständlichen Fahrzeug vorbei. Es fehle auch an schlüssigem Vortrag der Klägerin, inwieweit sie getäuscht oder in sittenwidriger Weise geschädigt worden sei. Da die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, könne sie die Umsatzsteuer nicht ersetzt verlangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen, soweit diese mit den hier getroffenen nicht in Widerspruch stehen, des Parteivorbringens im Einzelnen und der Entscheidungsgründe sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer Berufung bringt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei für ihre Behauptung, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motor des Typs EA 897 verbaut sei, beweisfällig geblieben. Es sei davon auszugehen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der vom KBA beanstandeten Aufheizstrategie implementiert worden sei. Aus der vorgelegten Rückrufliste (Anlage K 26) ergebe sich, dass das streitgegenständliche Modell mit der Genehmigungsnummer e1*2001/116* 0430*22 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aufgeführt werde. Dass die Klägerin sich entschieden habe, ihr verbrieftes Rückgaberecht auszuüben, stehe der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Dieser bestehe darin, dass die Klägerin einen für sie nachteiligen Vertrag geschlossen habe. Gemäß § 249 BGB könne sie statt der Rückgängigmachung des Vertrages auch am Vertrag festhalten und zusätzlich Schadensersatz beanspruchen. Dieser sogenannte kleine Schadensersatz könne auch bei deliktischen Ansprüchen geltend gemacht werden.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte...

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