Leitsatz (amtlich)
Das Haftungsprivileg des § 1664 BGB findet Anwendung, wenn die Pflichtverletzung der Eltern in einer Verletzung ihrer Aufsichtspflicht liegt (im Anschluss an die überwiegend vertretene Auffassung in Lit. und Rspr. und in Abgrenzung zu OLG Karlsruhe VersR 1977, 232 und 1982, 450).
Normenkette
BGB §§ 254, 277, 426, 823, 840, 828, 1664; StVG §§ 7, 11; ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 21.12.2007; Aktenzeichen 7 O 96/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 21.12.2007 - 7 O 96/07 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht auf Ersatz bereits entstandener und noch entstehender Aufwendungen für ihr Mitglied, die am 18.2.1998 geborene F., in Anspruch.
Das Kind F. (in der Folge nur noch: das Kind) wurde am 25.12.2004 in der Zeit zwischen 23.00 Uhr und 23.30 Uhr schwer verletzt, als es aus der Gaststätte P., wo es mit seiner Mutter und anderen Verwandten Weihnachten feierte, auf die K. straße lief und dort vom Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 erfasst wurde.
Die Klägerin begehrt Ersatz der unfallbedingten Aufwendungen, die sie im Zusammenhang mit der Verletzung des Kindes mit bisher insgesamt 62.804,61 EUR erbracht hat, i.H.v. (restlichen) 25.528,71 EUR nebst Zinsen sowie Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch verpflichtet sind, den gesamten zukünftigen Schaden zu ersetzen.
Das LG hat der Klage mit Urteil vom 21.12.2007, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die die rechtliche Würdigung des LG beanstanden und wie bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Klägerin müsse sich im Rahmen eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses eine Haftung der Mutter des bei der Klägerin versicherten und verletzten minderjährigen Kindes i.H.v. mindestens 2/3 anrechnen lassen. Eine Haftungsprivilegierung der Mutter nach § 1664 BGB i.V.m. § 277 BGB könne nicht zugunsten der Klägerin angenommen werden. Hilfsweise vertreten die Beklagten die Auffassung, die Mutter des Kindes habe grob fahrlässig ihre Aufsichtspflichten verletzt, so dass sie auch dann gesamtschuldnerisch mit den Beklagten haften würde, wenn das Haftungsprivileg des § 1664 BGB eingreifen würde.
Höchst vorsorglich rügen die Beklagten, dass das LG ihre Einwendungen zur Höhe des von der Klägerseite verfolgten Anspruches nicht zutreffend gewürdigt habe.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des LG Karlsruhe vom 21.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Instanzen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Dem Senat lagen - ebenso wie dem LG - zu Informationszwecken die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - 450 Js 2867/05 - vor.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt.
II.1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Zwar haben sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keine ausdrücklichen Berufungsanträge gestellt, was gem. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO grundsätzlich erforderlich ist. Vielmehr wurden Berufungsanträge erst nach Hinweis seitens des Senats mit Schriftsatz vom 14.4.2008 und damit nach der am 2.4.2008 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist gestellt. Allerdings ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Begründungsschriftsatz hinreichend, dass die Beklagten nach wie vor Klagabweisung insgesamt anstreben, da ausgeführt wird, das LG hätte erkennen müssen, dass alle berechtigten Ansprüche der Klägerin in vollem Umfang im Wege der Erfüllung erloschen seien. Damit ist der Formvorschrift des § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO hinreichend Genüge getan, denn auch ohne förmlichen Antrag kann sich aus der Begründungsschrift ergeben, was beantragt wird (vgl. Zöller/Gummer, Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 520 Rz. 28 m.w.N.).
2. Die Berufung der Beklagten hat aber keinen Erfolg.
Mit zutreffender Begründung, der der Senat sich anschließt, hat das LG der Klage auf Ersatz bereits entstandener und noch entstehender Aufwendungen für das Mitglied der Klägerin in vollem Umfang stattgegeben.
Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 116 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 7, 11 StVG, 3 PflVG. Eine Anspruchskürzung braucht die Klägerin sich nicht entgegenhalten zu lassen.
Die Berufungsangriffe der Beklagten rechtfertigen eine andere rechtliche Beurteilung nicht.
a) Zunächst ist es unstreitig, dass die Beklagten unter dem...