Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung einer Grunddienstbarkeit im Jahr 1900 vor Anlegung der Grundbücher
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 189 Abs. 1 EGBGB steht der Begründung einer Grunddienstbarkeit nach §§ 873, 925 BGB in der Zwischenzeit bis zur Anlegung der Grundbücher nicht entgegen, sofern das dingliche Rechtsgeschäft mit dem hergebrachten System der öffentlichen Bücher zu vereinbaren war.
2. Zur Auslegung einer Grunddienstbarkeit, die "für uns und unsere Rechtsnachfolger im Besitz" bewilligt wurde, als Grunddienstbarkeit.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 873, 925; EGBGB Art. 186, 189
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 19.03.2021; Aktenzeichen 9 O 320/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19.03.2021, Az. 9 O 320/19 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in der L.-Gasse 3 in W. in der Zufahrt/Einfahrt auf dem Flurstück 240 mit Pkw zu parken und es zu unterlassen, seinen jetzigen und künftigen Mietern des Grundstücks Flst. Nr. 240 ein Pkw-Stellrecht in der Zufahrt/Einfahrt auf dem Flurstück 240 einzuräumen.
2. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 50.000,00 EUR oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu drei Monaten im Einzelfall angedroht.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Bei einer Klage auf Unterlassung der Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit bestimmt sich der Wert des Rechts nach § 7 ZPO; er ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Hiernach bemisst sich der Streitwert des Hauptsacheantrags nach dem Wert, den die Grunddienstbarkeit mit dem von ihr beanspruchten Umfang für das Grundstück des Klägers hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18.7.2013 - V ZR 3/13, juris Rn. 5 f.). Angesichts der weitgehenden Beeinträchtigung der Nutzung seines Grundstücks als Pkw-Stellplatz, die von Klägerseite geltend gemacht wird, schätzt der Senat diesen Wert auf 10.000 EUR. Ob dem Hilfsantrag daneben ein eigenständiger Einzelstreitwert zukommt, kann offen bleiben, da über diesen nicht zu entscheiden war (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Gründe
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Sie streiten über ein Überfahrtsrecht über das Grundstück des Beklagten.
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Flst. Nr. 244, 242/1 und 241 in W., von denen das letztgenannte mit der Immobilie L.-Gasse 5 bebaut ist und die übrigen (Innen-)Hofflächen darstellen, auf denen sich teilweise Pkw-Stellplätze befinden. Das Grundstück Flst. Nr. 243, bei dem es sich ebenfalls um einen Teil der (Innen-)Hoffläche handelt, steht im gemeinsamen Eigentum der Parteien. Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr. 240, auf welchem sich das Anwesen L.-Gasse 3 sowie eine überdachte Durchfahrt von der L.-Gasse zu dem vorgenannten Innenhof befindet. Der Grundstücksteil, auf welchem sich die Durchfahrt befindet, wurde in den Grundbucheintragungen aus dem 19. Jahrhundert als "Hofraum 1" bezeichnet. Die überdachte Durchfahrt, die seitlich durch Mauern begrenzt wird, hat eine Breite zwischen 3,77 m bis 4,38 m. In der Durchfahrt befindet sich eine Nebentür des Anwesens L.-Gasse 3 welche nach außen zur Durchfahrt hin geöffnet wird. Die Durchfahrt erschließt den hinter den Häusern liegenden Hof mit den Grundstücken Flst. Nr. 244, 243 und 242/1. Einen weiteren Zugang zu diesen Flurstücken gibt es nicht. Auf dem Grundstück Flst. Nr. 244 befand sich ursprünglich eine Garage, die abgebrochen und durch Stellplätze ersetzt wurde. Hierfür wurde dem Kläger eine Baugenehmigung der Stadt W. erteilt. Die Stellplätze werden durch die Mieter der Immobilie L.-Gasse 5 genutzt.
Die Flurstücke liegen an der L.-Gasse und dem Q.-Gässchen im sogenannten "G.-Viertel" in W., einem historischen Stadtteil, der beengte bauliche Verhältnisse aufweist. Die einzige Eingangstür der L.-Gasse 5 befindet sich im Innenhof. Lediglich der Teil des Wohnhauses, der an der Straße Q.-Gässchen liegt, hat über eine schmale Kellertür einen Zugang zum Q.-Gässchen. Der Beklagte sicherte seinen Mietern mietvertraglich einen Stellplatz in der Durchfahrt zum Innenhof zu. Eine Genehmigung für einen Stellplatz wurde dem Beklagten nicht erteilt. Die Mieter des Beklagten parken in der Durchfahrt abwechselnd eines ihrer Fahrzeuge. Gelegentlich parkt auch der Beklagte selbst sein Fahrzeug in der Durchfahrt, etwa um Reparaturmaßnahmen durchzuführen.
Wegen der genauen örtlichen Verhältnisse wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Frühere Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr. 244 waren (unter anderem) zunächst Michael B. (von 1851 bis jedenfalls 1882), später Adam B. (jedenfalls ab 1900). Früherer Eigentümer des Grundstücks Nr. 240 war (j...