Leitsatz (amtlich)
Der Begriff "Geschäftsführer" ist ohne weitere Zusätze keine geschlechtsneutrale, sondern eine männliche Berufsbezeichnung. Eine Stellenausschreibung unter der Überschrift "Geschäftsführer" verletzt jedenfalls dann das Gebot zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung nach §§ 7 Abs. 1, 11 AGG, wenn nicht im weiteren Text der Anzeige auch weibliche Bewerber angesprochen werden.
Die nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung stellt ein Indiz dar, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lässt und zur Beweislastumkehr nach § 22 AGG führt. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass in dem "Motivbündel", das die Auswahlentscheidung beeinflusst hat, das Geschlecht überhaupt keine Rolle gespielt hat. Dieser Nachweis ist nicht schon dadurch geführt, dass eine andere Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ausgeschlossen, wenn die Bewerbung rechtsmissbräuchlich war, weil der Bewerber/die Bewerberin sich subjektiv nicht ernsthaft um die Stelle beworben hat oder objektiv für diese nicht in Betracht kam. Hierfür trägt der Arbeitgeber die Beweislast.
Normenkette
AGG § 7 Abs. 1, §§ 11, 15 Abs. 2, § 22
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 22.03.2010; Aktenzeichen 2 O 279/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.3.2010 - 2 O 279/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziff. 1 der Urteilsformel wie folgt geändert und neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.257,36 EUR zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die durch die Anrufung des unzuständigen ArbG entstandenen Kosten trägt die Klägerin. Von den Kosten der Streithilfe tragen die Klägerin 4/10 und die Streithelfer 6/10. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 4/10 und die Beklagte 6/10.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.765 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung.
Die Beklagte ist ein mittelständisches Logistik-, Transport- und Umzugsunternehmen. In ihrem Auftrag gab die Rechtsanwaltskanzlei K. & G., deren Mitglieder die beiden Streithelfer sind, am 15.9.2007 und gleichlautend am 22.9.2007 in den B. eine Stellenanzeige folgenden Inhalts auf (Anlage K 1):
Geschäftsführer im Mandantenauftrag zum nächstmöglichen Eintrittstermin gesucht für mittelständisches Logistik-, Transport & Umzugsunternehmen mit Sitz im Raum K. Fähigkeiten in Akquisition sowie Finanz- und Rechnungswesen sind erforderlich, Erfahrungen in Führungspositionen erwünscht. Frühere Tätigkeiten in der Branche nicht notwendig. Ihre schriftlichen, vollständigen Bewerbungsunterlagen mit Angabe Ihres nächstmöglichen Eintrittsdatums und Ihren Gehaltsvorstellungen senden Sie bitte an:
Rechtsanwälte K. & G., in K., oder per E-Mail an info@...de
Die auch als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war zu diesem Zeitpunkt als Personalleiterin bei der I. Versicherungsgruppe in M. beschäftigt, nachdem sie zuvor mehr als 20 Jahre bei den K. Versicherungen tätig gewesen war. Per E-Mail vom 18.9.2007 (Anlage K 2), der ein "Know-how-Profil" und ein tabellarischer Lebenslauf beigefügt waren (Anlage K 3), bewarb sich die Klägerin auf die ausgeschriebene Geschäftsführungsposition. Auf telefonische Nachfrage erfuhr die Klägerin am 5.10.2007 vom Sekretariat des Anwaltsbüros K. & G., dass ihre Bewerbung keine Berücksichtigung gefunden habe. Mit E-Mail vom 15.10.2007 an Rechtsanwalt K. und Schreiben vom 17.10.2007 an die Rechtsanwälte K. & G. (Anlage K 4) meldete die Klägerin Entschädigungsansprüche i.H.v. 24.765 EUR an und begehrte Auskunft über den Auftraggeber der Stellenanzeige. Da die Auskunft nicht erteilt wurde, erhob die Klägerin Klage gegen die Rechtsanwaltssozietät K. & G., die durch Urteil des LG Karlsruhe vom 29.4.2008 - 4 O 23/08 zur Benennung ihres Mandanten verurteilt wurde. Nach Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen benannte die Rechtsanwaltskanzlei schließlich am 5.3.2009 die Beklagte als Auftraggeberin der Anzeige (Anlage K 6). Mit Schreiben vom 9.3.2009 machte die Klägerin sodann gegenüber der Beklagten ihren mit 24.765 EUR bezifferten Entschädigungsanspruch geltend (Anlage K 7).
Diesen Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung im Bewerbungsverfahren verfolgt die Klägerin mit der am 8.4.2009 beim ArbG Karlsruhe eingereichten Klage weiter. Die Klägerin ist der Auffassung, die mit "Geschäftsführer" überschriebene Stellenanzeige sei nicht geschlechtsneutr...