Leitsatz (amtlich)
1. Schließt der Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktiengesellschaft im Namen der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied einen Vertrag, so handelt der Aufsichtsratsvorsitzende zwar gem AktG § 112 ohne Vertretungsmacht, aber nicht unter Verstoß gegen eine gesetzliches Verbot iSd BGB § 134. Der Aufsichtsrat hat daher die Möglichkeit, den Vertrag gem BGB § 177 zu genehmigen (Abweichung OLG Stuttgart, 1992-03-20, 2 U 115/90, BB 1992, 1669).
2. Zur Frage der Anwendbarkeit des BGB § 625 auf den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft.
Orientierungssatz
1. Ein von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist nach allgemeinem Zivilrecht grundsätzlich nicht nichtig; der vollmachtlos Vertretene hat vielmehr – zum eigenen Vorteil – die Möglichkeit, durch Genehmigung die Verbindlichkeit des Vertrages herbeizuführen. Daß dann etwas anderes gelten solle, wenn die Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktiengesellschaft ohne Vertretungsmacht im Namen der Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied gehandelt hat, kann den Regelungen des Aktienrechts nicht entnommen werden. Die Bestimmung des AktG § 112 – nach der die Aktiengesellschaft Vorstandsmitgliedern gegenüber nicht durch den Vorstand, sondern durch den Aufsichtsrat vertreten wird – bezweckt nach der Rechtsprechung eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft, Es kann offen bleiben, ob – wie in der Literatur wohl überwiegend vertreten – hieraus folgt, daß insoweit ein rechtsgeschäftliches Handeln durch ein Vorstandsmitglied nicht nur ohne Vertretungsmacht erfolgt, sondern (wegen der potentiellen Befangenheit) überhaupt verboten und damit nichtig ist; jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß AktG § 112 auch bei einem Vertreterhandeln anderer Personen – etwa des Aufsichtsratsvorsitzenden – eine solche Bedeutung zukommt. Auch aus anderen Bestimmungen des Aktiengesetzes folgt nicht die Nichtigkeit des rechtsgeschäftlichen Handelns des Aufsichtsratsvorsitzenden. Zwar kann der Aufsichtsrat die nach den Regelung des Aktiengesetzes ausschließlich ihm zugewiesenen Entscheidungen nicht auf andere übertragen, sondern muß diese selbst treffen (etwa: die Bestellung und des Vorstandes gemäß AktG § 84; Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder gemäß AktG § 89 uws); wenn der Aufsichtsrat aber in einer Ermächtigung (oder eben in der nachträglichen Genehmigung eines Geschäfts) eine nach dem Gesetz ausschließlich ihm vorbehaltene Entscheidung dezidiert selbst trifft, ergeben sich aus der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung keine Bedenken.
2. BGB § 625 ist in der Regel auf den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft nicht anzuwenden, soweit hierdurch das Anstellungsverhältnis über den Zeitpunkt der Beendigung der organschaftlichen Vorstandsbestellung hinaus verlängert würde; denn der Aufsichtsrat würde ansonsten in seiner Freiheit bei der (nun anfallenden) Entscheidung über die Frage einer Verlängerung der organschaftlichen Vorstandsbestellung unzulässig eingeschränkt.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 08. März 1995 – 8 O 81/94 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage hinsichtlich Klageantrag Ziffer 1 als unzulässig abgewiesen wird.
2. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 22.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können auch durch unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaften eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen europäischen Kreditinstituts erbracht werden.
4. Die Beschwer des Klägers übersteigt DM 60.000,00.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die die Aufgaben des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt H. wahrnimmt. Beteiligt an der Beklagten ist die Stadt H. unmittelbar mit 37,2 % und die H. Versorgungs- und Verkehrsbetriebe GmbH (HVV) mit 62,78 %. Zwischen der HVV und der Beklagten besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Wegen der inneren Organisation der Beklagten wird auf die Satzung der Beklagten in der Fassung vom 27.06.1976 verwiesen (Anlagenheft des Klägers AS 29 ff). Der Aufsichtsrat der Beklagten besteht aus 15 Mitgliedern, darunter sieben Arbeitnehmervertreter. Vorsitzende des Aufsichtsrates ist die Oberbürgermeisterin der Stadt H..
Der Kläger wurde mit Beschluß des Aufsichtsrats der Beklagten vom 18.10.1990 zu einem von drei Vorstandsmitgliedern der Beklagten für die Zeit vom 01.03.1991 bis 28.02.1994 bestellt. Am 17.01.1991 schlossen die Parteien für die Zeit vom 01.03.1991 bis 28.02.1994 einen entsprechenden Anstellungsvertrag (vgl. Anstellungsvertrag, Anlagenheft des Klägers AS 1 ff).
In der Aufsichtsratssitzung der Beklagten vom 14.06.1993 wurde unter Tagesordnungspunkt 9 über die „Wiederbestellung von Herrn Dr. V. (dem Kläger) in den Vorstand der HSB” bera...