Leitsatz (amtlich)
1. Für die Höhe des zivilrechtlichen Anspruchs des Verletzten nach § 110 Abs. 1 SGB VII ist nicht der Schädiger sondern der Sozialversicherungsträger beweispflichtig.
2. Selbst wenn man annehmen wollte, der Schädiger habe darzulegen und zu beweisen hat, in welcher Höhe der zivilrechtliche Anspruch des Verletzten den Anspruch nach § 110 Abs. 1 SGB VII begrenzt, träfe den Sozialversicherungsträger zumindest eine gesteigerte Darlegungslast (sekundäre Darlegungslast) mit der Folge, dass er vortragen müsste, dem Geschädigten stehe ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zu, der noch nicht durch die Zahlungen des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung erfülltt ist.
Normenkette
SGB VII § 110 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 12.05.2006; Aktenzeichen 1 O 102/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heidelberg vom 12.5.2006 - 1 O 102/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3.9.2004 zu bezahlen.
III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Aufwendungen der Klägerin bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Verletzten Wittmann aus dem Unfall vom 27.4.1999 zu ersetzen, soweit der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch über die bereits erbrachten und nach Klageantrag Ziff. 1 zugesprochenen und bezahlten Beträge hinaus dem Grund nach besteht und der Höhe nach entstanden ist oder entstehen wird.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
VI. Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Klägerin 25 % und der Beklagte 75 %.
VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VIII. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten, gestützt auf § 110 Abs. 1 SGB VII, einen Anspruch auf Zahlung von 36.577,03 EUR zzgl. Zinsen geltend und begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr die ab 1.1.2005 entstandenen und zukünftig entstehenden Aufwendungen aus dem Unfall des Herrn W. vom 27.4.1999 bis zur Höhe des zivilrechtlichen (materiellen und immateriellen) Schadensersatzanspruches zu bezahlen. Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch des Geschädigten dargelegt bzw. bewiesen habe. Verdienstausfall sei dem Zeugen W. nicht entstanden und ein - fiktiver - Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten sei im Rahmen des § 110 Abs. 1 SGB VII nicht zu berücksichtigen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge in vollem Umfang weiter, wobei der Feststellungsantrag dahingehend formuliert wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Aufwendungen der Klägerin bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Verletzten W. aus dem Unfall vom 27.4.1999 zu ersetzen, soweit der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch über die bereits erbrachten und nach Klageantrag Ziff. 1 zugesprochenen und bezahlten Beträge hinaus dem Grunde nach besteht und der Höhe nach entstanden ist oder entstehen wird. Zur Begründung stützt sich die Klägerin auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ergangene Entscheidung des BGH v. 27.6.2006 - VI ZR 143/05 - (BGHZ 168, 161 = BGH v. 27.6.2006 - VI ZR 143/05, BGHReport 2006, 1364 = MDR 2007, 150 = NJW 2006, 3563 = VersR 2006, 1429), wonach ein Sozialversicherungsträger wegen der von ihm erbrachten Aufwendungen beim Rückgriff nach § 110 SGB VII grundsätzlich auch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten gegen den nach den §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger zurückgreifen kann. Ferner vertritt die Klägerin die Auffassung, dass für die Höhe des Schadens der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig sei.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung, wobei auch er die Rechtsfrage, ob sich der Sozialversicherungsträger bei seinem Rückgriff nach § 110 Abs. 1 SGB VII auch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten berufen kann, nach der zitierten Entscheidung des BGH für geklärt erachtet. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Anspruchs die Klägerin treffe. Das fiktive Schmerzensgeld sei zudem schon deshalb zu ...