Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gesellschaft, deren Gesellschaftszweck u.a. die Auswahl geeigneter Partner zur Sicherstellung qualifizierter Weiterbehandlung und Versorgung und deren Überwachung, Sicherung der Versorgung mit Materialien und Hilfsmitteln ist, und die mit Krankenhauspatienten Verträge schließt, in denen diese sich einverstanden erklären, von der Gesellschaft Beratung im Umgang mit Heil- und Hilfsmitteln entgegenzunehmen, gehört zu den in § 11 Abs. 1 ApoG angesprochenen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen.
2. Ein Apotheker, der (außer in Notfällen) aufgrund Kooperation mit dieser Gesellschaft Rezepte, die für Patienten der Klinik ausgestellt und ihm von der Gesellschaft zugefaxt werden, entgegennimmt oder entgegennehmen lässt und anschließend die Arzneimittel gegen Aushändigung der Originalrezepte den Patienten überbringen lässt, verstößt gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Freiburg vom 31.12.2012 - Az.: 1 O 139/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
a) Dem Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - abgesehen von Notfällen - ärztliche Rezepte aus dem ... Klinikum entgegenzunehmen und/oder entgegennehmen zu lassen, indem die Rezepte, die für Patienten des ... Klinikums ausgestellt sind, zunächst durch die P. GmbH an die Apotheke des Beklagten gefaxt werden, anschließend die verschriebenen Arzneimittel in der Apotheke des Beklagten entsprechend den gefaxten Rezepten in Medikamenten-Tüten gepackt werden und schließlich die Original-Rezepte bei Auslieferung der Medikamenten-Tüten durch Boten der Apotheke des Beklagten in den Krankenzimmern des ... Klinikums abgeholt werden.
b) Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen lit. a.) ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren angedroht.
c) Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die ihr durch Handlungen des Beklagten, wie sie in lit. a) geschildert sind, seit dem 28.10.2011 entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
d) Der Beklagte wird verurteilt, über Handlungen, wie sie in lit. a) geschildert sind, seit dem 28.10.2011 Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines chronologischen Verzeichnisses, aus dem sich Datum, Art und Abgabepreis der entsprechend verschriebenen Arzneimittel, Medizinprodukte oder sonstigen Hilfsmittel ergeben.
e) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtstreits in erster Instanz haben die Klägerin 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin will dem Beklagten unter Heranziehung von § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG bzw. § 12 BO für Apotheker BW untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - abgesehen von Notfällen - für Patienten des ... Klinikums ausgestellte ärztliche Rezepte entgegenzunehmen, wenn diese ihm von einer P. GmbH bzw. Beauftragten des ... Klinikums zugefaxt worden sind.
Für die tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es lägen keine wettbewerbsrechtlich relevanten Rechtsverstöße vor. Ob eine unzulässige Absprache i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG vorliege, wenn nicht Behandlungspersonal, sondern ein dazwischentretender Dritter mit dem Apotheker interagiere, werde von § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG nicht beantwortet und sei in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung noch ungeklärt. Wegen der Besonderheiten dieses Falles komme eine Ausweitung des Tatbestandes nicht Betracht. Die mit der Bearbeitung und Weiterleitung der Medikamentenrezepte befassten Mitarbeiter der P. GmbH seien nicht beim ... Klinikum beschäftigt. Zudem habe der verschreibende Arzt keine Kenntnis davon, ob, wie und an wen ein Auftrag erteilt werde und nehme auch keinen Einfluss darauf, an welchen Kooperationspartner die Rezepte weitergeleitet würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass Ärzte Interesse an der Auswahl der Kooperationspartner gezeigt hätten. Die strukturelle Nähe der P. GmbH zum ... Klinikum trage die Gefahr in sich, dass beteiligte Kooperationsapotheken entgegen ihren Kontrollfunktionen handeln könnten. Eine solche abstrakte Schutzzweckberührung rechtfertige die Anwendung von ...