Leitsatz (amtlich)
1. Eine vom Schuldner in der Eigenverwaltung ohne Zustimmung des Sachwalters eingegangene Verbindlichkeit, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, ist grundsätzlich wirksam.
2. Ordnet das Insolvenzgericht an, dass der Schuldner im so genannten Schutzschirmverfahren Masseverbindlichkeiten begründet, so werden sämtliche vom Schuldner begründeten Verbindlichkeiten im eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten behandelt. Dies gilt grundsätzlich auch für so genannte Binnengeschäfte, wie etwa die Begründung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Vertretungsorgan des Schuldners.
3.
a) Die im Schutzschirmverfahren vom Schuldner begründeten Masseverbindlichkeiten unterliegen grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung.
b) Sie können jedoch nach den Grundsätzen über die Insolvenzzweckwidrigkeit, die auch für den in Eigenverwaltung handelnden Schuldner gelten, unwirksam sein.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 13.02.2015; Aktenzeichen 13 O 81/14 KfH I) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 13.02.2015 (13 O 81/14 KfH I) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. - abgekürzte Sachverhaltsdarstellung gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO -
Der Kläger macht gegen den Beklagten im Wege der Teilklage einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus der schriftlichen Aufhebungs-/Abfindungsvereinbarung vom 15.10.2013 (K 3) geltend. Die Parteien streiten in erster Linie um die Wirksamkeit dieser Vereinbarung und darüber, ob die Klageforderung als Insolvenz- oder Masseforderung zu qualifizieren ist.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W AG (fortan: Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 01.01.2014 eröffnet. Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.10.2010 zum Mitglied des Vorstands der Schuldnerin für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Er war seither auf der Grundlage des Vorstandsanstellungsvertrages vom 28.06.2010 (K 8) für die Schuldnerin tätig. Nach dem Vertrag stand ihm ein jährliches Grundgehalt in Höhe von 154.000,00 EUR brutto zu. Ferner war u.a. vereinbart, dass der Kläger als Abfindung ein Jahresgrundgehalt für den Fall erhalten sollte, dass der Aufsichtsrat nach Vertragsablauf den Kläger nicht wieder zum Vorstand bestellt (§ 5 Nr. 5 des Anstellungsvertrages).
Auf Antrag der Schuldnerin vom 26.09.2013 ordnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 27.09.2013 die vorläufige Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung gemäß §§ 270a, 270b InsO (Schutzschirmverfahren) an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Sachwalter. In dem Beschluss wurde antragsgemäß nach § 270b Abs. 3 InsO angeordnet, dass die Schuldnerin Masseverbindlichkeiten begründet und die Bestimmung des § 55 Abs. 2 InsO entsprechend gilt. In dem danach durchgeführten Treffen mit Vertretern des Bankenkonsortiums forderten die Banken als Voraussetzung einer Finanzierungsvereinbarung, dass der Kläger als Vorstandsmitglied der Schuldnerin abberufen werde bzw. sein Amt niederlege.
Daraufhin schlossen die Schuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, und der Kläger den oben genannten Aufhebungs- und Abfindungsvertrag, der eine vorzeitige Aufhebung des Vorstandsanstellungsvertrages zum 31.03.2014 vorsah. Die Vertragsparteien einigten sich auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 154.000,00 EUR zum 31.12.2013. Der Kläger legte vereinbarungsgemäß sein Vorstandsamt am 16.10.2013 nieder. Auf Antrag der Schuldnerin vom 23.10.2013 eröffnete das Insolvenzgericht zunächst das vorläufige und mit Beschluss vom 01.01.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.
Das LG hat der auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 5.001,00 EUR nebst Zinsen und Kosten gerichteten Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger nicht gemäß § 87 InsO darauf beschränkt, die geltend gemachte Forderung nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen. Denn der Kläger ist - den Bestand der Klageforderung unterstellt - nicht als Insolvenz-, sondern als Massegläubiger (§ 53 InsO) zu qualifizieren (s. hierzu die nachstehenden Ausführungen zu 2. c.).
2. Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 5.001,00 EUR (erstrangiger Teilbetrag aus 154.000,00 EUR) nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem schriftlichen Aufhebungs- und Abfindungsvertrag vom 15.10.2013.
a. Zwischen dem Kläger und der späteren Insolvenzschuldnerin, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 Satz 1...