Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei Zugrundelegung der im Jahre 1991 geltenden Fassung der VOB/B (DIN 1961 - Fassung August 1988) liegt ein Kündigungsgrund dann vor, wenn in einem Bauvertrag mit einem ausländischen Bauunternehmen ein staatlich überwachtes Verfahren eingeleitet wird, das einem Insolvenzverfahren gleichsteht.
2. Das Wahlrecht des Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters nach französischem Insolvenzrecht entsprechend § 17 KO bzw. § 103 InsO kann ein auf vertraglicher Vereinbarung beruhendes Kündigungsrecht nicht ausschließen, wenn das Vertragsverhältnis deutschem Recht unterliegt. Es ist dabei unerheblich, dass nach französischem Insolvenzrecht (hier: Art. 37 Abs. 6 des Gesetzes vom 25.1.1985) Vertragsbestimmungen, die im Fall der Insolvenz des Vertragspartners die Auflösung oder Kündigung des Vertrags vorsehen, unwirksam sind.
3. Die Erklärung der Kündigung erfordert nicht den Gebrauch des Begriffs "Kündigung"; der Auftragnehmer muss nur aus ihr eindeutig erkennen können, dass der Auftraggeber den Vertrag beenden will und ob es sich um eine freie oder außerordentliche Kündigung handelt. Ist das Kündigungsschreiben nicht eindeutig, ergeben aber die Gesamtumstände, dass dem Auftraggeber ein "außerordentlicher" Kündigungsgrund zur Seite steht, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Kündigung aus diesem wichtigen Grunde ausgesprochen wird.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 08.07.2010; Aktenzeichen 14 O 111/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Freiburg vom 8.7.2010 - 14 O 111/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass der am 12.9.1990 zwischen der Klägerin und der Firma S. geschlossene Bauvertrag durch außerordentliche Kündigung der Klägerin beendet worden ist.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 135.492,35 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung weiter.
Auf Hinweis des Senats hat die Klägerin den Klagantrag dahin geändert, dass festgestellt wird, dass der am 12.9.1990 zwischen der Klägerin und der Firma S. geschlossene Kaufvertrag durch außerordentliche Kündigung der Klägerin beendet worden ist.
II. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Allerdings ist der Urteilsausspruch unter Ziff. 1 des Tenors auf entsprechend geänderten Antrag der Klägerin neu zu fassen dahin, dass festgestellt wird, dass der am 12.9.1990 zwischen der Klägerin und der Firma S. geschlossene Kaufvertrag durch außerordentliche Kündigung der Klägerin beendet worden ist, weil nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden kann (§ 256 ZPO).
1. Internationale Zuständigkeit:
Das LG hat die internationale Zuständigkeit, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist, zu Recht bejaht. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Mit der Berufungsbegründung macht der Beklagte geltend, eine einseitige Kündigung sei nach französischem materiellem Konkursrecht ausgeschlossen, weil der Verwalter im Verfahren des redressement judiciaire berechtigt sei, vom Vertragspartner des Gemeinschuldners die Fortführung des Vertrages zu verlangen, und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, wegen des Sitzes der Schuldnerin in Frankreich seien für das Konkursverfahren die französischen Gerichte zuständig und würden sich auch der Konkurs und seine Rechtsfolgen ausschließlich nach französischem Recht richten. Mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 3.2.2012 hat der Beklagte außerdem darauf verwiesen, da vorliegend unstreitig französisches Insolvenzrecht anwendbar sei, richteten sich auch die Auswirkungen auf beidseitig noch nicht voll erfüllte Schuldverhältnisse nach der lex fori concursus, § 335 InsO, was auch dann gelte, wenn der betreffende Vertrag dem Recht des anderen Staats unterliege. Dabei übersieht der Beklagte aber, dass entsprechend der Entscheidung des Cour d'Appel Dijon (Anlage K 6/7) nach Art. L 621-104 des alten Handelsgesetzbuchs (code de commerce) in seiner damaligen Fassung die Kompetenz des Insolvenzrichters nicht die Entscheidung darüber umfasst, ob ein Vertragsbruch vorliegt und daraus eine entsprechende Forderung entstanden ist. Für diese Entscheidung ist aufgrund der von den Parteien im Bauvertrag getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 I EuGVÜ bzw. jetzt Art. 23 EuGVVO die internationale Zuständigkeit der deutschen Ger...