Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 24.04.2013; Aktenzeichen 11 O 129/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 24.04.2013, Az. 11 O 129/11, wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den bereits entstandenen und künftig entstehenden Unterhaltsbedarf des Kindes A. D., geb. ….2001, zu leisten.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 ein Schmerzensgeld von EUR 20.000,00 zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.04.2008.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf EUR 370.000,00.
Tatbestand
I.
1.
Das Landgericht Freiburg hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T. vom 08.03.2010 und der Anhörung des Sachverständigen vom 08.02.2012 einen (einfachen) Behandlungsfehler der Beklagten bzw. ihrer Praxiskollegin Dr. K. bejaht. Der Behandlungsfehler bestehe darin, dass die Beklagte oder Frau Dr. K. bei der Untersuchung am 07.08.2001 auf dem Ultraschallbild eine Ventrikelerweiterung im schallkopffernern Ventrikel nicht erkannt habe, welche mehr als 15 mm umfasst habe und damit als pathologisch einzustufen gewesen sei. Es handele sich allerdings nicht um einen groben Behandlungsfehler. Da diese sogenannte Ventrikulomegalie auf dem Ultraschallbild nicht erkannt worden sei, sei auch keine weitergehende Diagnostik in einem Kompetenzzentrum veranlasst worden, in welchem der Hydrocephalus (sog. Wasserkopf) erkannt worden wäre (LGU S. 15). Durch die falsche Bewertung des Ultraschallbefundes vom 07.08.2001 habe Frau Dr. K. einen Diagnosefehler begangen (LGU S. 15).
Die Kläger hätten aber nicht bewiesen, dass sie bei korrekter Diagnosestellung am 07.08.2001, also bei Kenntnis der Ventrikelerweiterung einen – unterstellt rechtmäßigen – Schwangerschaftsabbruch durchgeführt hätten.
Die Kläger hätten dann zu befürchten gehabt, dass ihr Kind mit einem Hydrocephalus zur Welt komme und als Ärzten sei ihnen bekannt gewesen, was dies für das Kind und für sie selbst als Eltern bedeuten könne, zumal die Klägerin als Ärztin damals auch ein Behindertenheim medizinisch betreut habe, in welchem Kinder mit derartigen Behinderungen versorgt worden seien (LGU S. 16).
Dass die Kläger nach dem Bekanntwerden der Fehlentwicklung sowohl des Hirns als auch des Herzens am 11.10.2001 keinen Spätabbruch der Schwangerschaft mehr vorgenommen hätten, lasse keinen sicheren Rückschluss auf ihren hypothetischen Entschluss am 07.08.2001 zu (LGU S. 16). Auch dass die Kläger nach der Geburt des Kindes A. alle notwendige medizinische Versorgung unternommen haben, lasse keinen Rückschluss auf ihren hypothetischen Entschluss am 07.08.2001 zu (LGU S. 17).
Dennoch habe die Kammer nicht mit ausreichender Gewissheit feststellen können, wie die Kläger sich nach dem 07.08.2001 entschieden hätten, wenn sie Kenntnis von der richtigen Diagnose gehabt hätten (LGU S. 17). Da die Kläger nicht nachgewiesen hätten, dass die Klägerin bei richtiger Diagnose am 07.08.2001 einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen hätte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
2.
Mit ihrer Berufung werfen die Kläger/Berufungskläger dem Landgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor (II 37). Richtigerweise hätte das Erstgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Kläger bei korrekter Diagnosestellung am 07.08.2001 die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch getroffen hätten, was die Klägerin bei ihren beiden mündlichen Anhörungen am 08.02.2012 und am 14.03.2013 auch jeweils ausdrücklich bekundet habe (II 37 und 39 unter Hinweis auf das Protokoll vom 08.02.2012, S. 11 (I 407) und das Protokoll vom 14.03.2013 (I 509–511)).
Die Klägerin habe noch während der Schwangerschaft gewusst, dass sie durch die Geburt des Kindes schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schäden in psychischer und physischer Hinsicht erleiden könne und werde. Deswegen sei davon auszugehen, dass die Klägerin dies bei korrekter Diagnose auch schon am 07.08.2001 gewusst hätte und dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt von der Situation seelisch und körperlich überfordert gewesen wäre angesichts der Behinderung „Hydrocephalus” mit der Folge, dass sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätte (II 41).
Der Fehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts liege darin, dass das Landgericht keine konkreten Gründe für...