Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsachenbehauptungen in Kommentaren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Abdruck einer Gegendarstellung nach Erlass einer hierzu verpflichtenden einstweiligen Verfügung führt auch dann zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, wenn er zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt.
2. Zur Qualifizierung einer Erstmitteilung als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung.
3. Auch in Kommentaren enthaltene Äußerungen können Tatsachenbehauptungen darstellen und damit gegendarstellungsfähig sein.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 06.08.1998; Aktenzeichen 1 O 333/98) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Freiburg vom 6.8.1998 – 1 O 333/98 – wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer vom Kläger, dem Bürgermeister der Stadt Müllheim, erwirkten einstweiligen Verfügung, mit der die Beklagte zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet worden war.
Die Beklagte verlegt die „Badische Zeitung”, eine Tageszeitung mit hauptsächlich Teile Südbadens umfassendem Verbreitungsgebiet. In deren Ausgabe vom 2.7.1998 erschien auf der ersten Seite in der Mitte der linken Spalte ein Artikel mit den Überschriften
„Müllheim stellt sich quer
Kein Sportplatz für Türken”
Am Ende des Artikels wurde auf die auf der rechten Spalte der ersten Seite platzierte Rubrik „Tagesspiegel” und auf den Teil „Land und Region” im Inneren des Blattes verwiesen.
Im „Tagesspiegel” erschien unter den Überschriften
„Türken in Müllheim
Ohne Heimrecht”
ein Kommentar, der sich ebenso wie der zuerst genannte Artikel auf einen nahezu ganzseitigen Bericht mit den Überschriften
„Der Sportclub B. Müllheim sucht seit einem Jahr vergeblich einen Fußballplatz
Schöne neue Spielplätze – aber nicht für Türken”
im Teil „Land und Region” derselben Ausgabe bezog. In den drei Artikeln setzten sich die Verfasser kritisch mit den Schwierigkeiten eines türkischen Fußballvereins auseinander, in Müllheim einen Sportplatz zu finden, auf dem seine Spieler regelmäßig trainieren und ihre Heimspiele austragen können. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Artikel Bezug genommen (I 21 und AH K, ASt 3).
Mit Aufforderungsschreiben vom 10.7.1998 (AH K, ASt 6) verlangte der Kläger von der Beklagten den Abdruck der dem Schreiben beigefügten und von ihm unterschriebenen Gegendarstellung des dem späteren Verfügungsantrag entspr. Inhalts. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.7.1998 (AH K, ASt 7) abgelehnt.
Zur Begründung ihres daraufhin gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Kläger geltend gemacht, die im Text des in der rechten Spalte der ersten Seite der genannten Ausgabe erschienenen Artikels enthaltene Äußerung „Bürgermeister S. tut nichts, um den türkischen Bürgern zu einem Spielort zu verhelfen, sondern verweist sie auf einen wenig genutzten Platz 20 Kilometer entfernt” stelle eine Tatsachenbehauptung dar, die nicht der Wahrheit entspreche.
Der Kläger hat beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, in der nächstfolgenden für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer auf der ersten Seite der Tageszeitung „Badische Zeitung” mit gleicher Schrift wie der in der Ausgabe vom 2.7.1998 veröffentlichte Kommentar „Türken in Müllheim – Ohne Heimrecht” die als Anlage ASt 1 beigefügte Gegendarstellung ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken, wobei Anlage ASt 1 wie folgt lautet:
„Gegendarstellung
In der Badischen Zeitung vom 2.7.1998 haben Sie auf der ersten Seite unter der Überschrift „Türken in Müllheim – Ohne Heimrecht” einen Kommentar veröffentlicht, der unzutreffende Behauptungen enthält.
Sie haben behauptet, „Bürgermeister H.S. tut nichts, um den türkischen Bürgern zu einem Spielort zu verhelfen, sondern verweist sie auf einen wenig genutzten Platz 20 Kilometer entfernt.
Diese Behauptung ist falsch. In Wahrheit bemühe ich mich intensiv, diesen Bürgern einen Spielort in Müllheim zu vermitteln. Der wenig genutzte Platz in F. wurde nur für den Fall ins Gespräch gebracht, dass meine Vermittlungsbemühungen scheitern sollten”.
Mit Beschluss vom 16.7.1998 (I 49) hat das LG die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Zustellung an die Beklagte ist am 20.7.1998 erfolgt.
Die Beklagte hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und die Auffassung vertreten, die landgerichtliche Entscheidung sei aufzuheben, weil es sich bei der beanstandeten Äußerung nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen handele, denen die begehrte Gegendarstellung mit einer Meinungsäußerung begegne:
Die Formulierung „Bürgermeister S. tut nichts”' sei eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung, weil sie im Zusammenhang mit ihrem Kontext gesehen werden müsse, der durch den rein kommentierenden Charakter der Rubrik „Tagesspiegel” geprägt werde. Dem setze der Kläger in der erstrebten Gegendarstellung ebenfalls e...