Tenor
I. Ist ein Rechtsstreit dem Grunde und der Höhe nach zur Entscheidung reif, kann das Berufungsgericht - auch bei Vorliegen eines unzulässigen Grundurteils und einer vom Gericht des ersten Rechtszugs noch nicht beschiedenen Hilfsaufrechnung des Beklagten - auf dessen Berufung über den gesamten Streitgegenstand im Betragsverfahren abschließend entscheiden, ohne dass es einer Anschlussberufung des Klägers bedarf.
II. Eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das für die Annahme der Verwirkung erforderliche "Umstandsmoment" vorliegt, wenn der widerrufsberechtigte Verbraucher das Darlehen gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung ablöst und sodann eine gewisse Zeit, etwa 6 Monate bis zum Widerruf verstreichen lässt, besteht nicht (entgegen OLG Schleswig, Urteil vom 06.10.2016 - 5 U 72/16, juris). Vielmehr ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Darlehenswiderrufs.
Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 01.08.2003 einen Darlehensvertrag über zwei grundpfandrechtlich gesicherte Teildarlehen i.H.v. 175.000 EUR (effektiver Jahreszinssatz 4,24 % mit Zinsfestschreibung bis 31.07.2013) und 115.000 EUR (effektiver Jahreszinssatz 4,84 % mit Zinsfestschreibung bis 31.07.2018) zur privaten Nutzung. Im Rahmen dieses Vertragsschlusses wurde den Klägern eine Widerrufsbelehrung (Anlage K2) überlassen, die auszugsweise wie folgt lautet:
((Abbildung))
Zum 31.12.2012 vereinbarten die Parteien die vorzeitige Ablösung beider Teildarlehen. Im Gegenzug für die vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses wurde der Beklagten ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 2.755,09 EUR für das erste Teildarlehen und i.H.v. 4.311,58 EUR für das zweite Teildarlehen eingeräumt. Nach einer anfänglichen Verzögerung wurde beide Darlehen schließlich vollständig abgewickelt und die Vorfälligkeitsentschädigung an die Beklagte gezahlt. Am 26.08.2014 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen und forderten die Beklagte zur Abrechnung sowie zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung bis zum 20.09.2014 auf. Mit Schreiben vom 04.09.2014 wies die Beklagte das Begehren der Kläger unter Darlegung ihrer Rechtsansicht zurück. Mit Schreiben vom 10.10.2014 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte erneut außergerichtlich zur Rückabwicklung des Darlehensvertrages auf.
Die Kläger haben erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft, so dass der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen habe. Der Hinweis der Widerrufsbelehrung, wonach die Frist "frühestens" mit Erhalt der Belehrung zu laufen beginne, genüge nicht dem einzuhaltenden Deutlichkeitsgebot und kläre den Verbraucher nicht hinreichend über seine Rechte auf. Auf einen Vertrauensschutz könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Musterbelehrung gemäß § 14 BGB-InfoV nicht unverändert übernommen habe. Es fehle insbesondere die Überschrift "Widerrufsrecht". Im Abschnitt "finanzierte Geschäfte" seien ebenfalls Veränderungen vorgenommen worden. Die Beklagte habe Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz herauszugeben, was 18.197,26 EUR bzw. 12.128,42 EUR ergebe. Setze man nur 2,5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz an, errechneten sich 9.517,09 EUR bzw. 6.673,69 EUR. Die Kläger beantragten daher
1. festzustellen, dass der von den Klägern erklärte Widerruf vom 26.08.2014 wirksam ist, sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrages spätestens seit dem 04.09.2014 in Verzug befindet und dass der gegenständliche Darlehensvertrag durch den erklärten Widerruf rückwirkend aufgehoben und sich durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger
a) 2.755,09 EUR für das Darlehen mit der Nr. 6201748251 sowie 4.311,58 EUR für das Darlehen mit der Nr. 6201748268 geleistete Vorfälligkeitsentschädigung nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2014,-
b) 18.197,26 EUR für das Darlehen mit der Nr. 6201748251 sowie 12.128,42 EUR für das Darlehen mit der Nr. 6201748268 an Zinsschaden aufgrund der widerrufenen Darlehen und des hierdurch begründeten Rückabwicklungsverhältnisses nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2014 sowie-
c) die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung zur Höhe von 2.095,36 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Widerrufsbelehrung entspreche der Musterbelehrung. Jedenfalls sei die Ausübung des Widerrufsrechts nach vollständiger Abwicklung des Darlehens und Abschluss des Ablösevertrages verwirkt oder in sonstiger Weise rechtsmissbräuchlich. Der von der Beklagten zu zahlende Nutzungsersatz sei außerdem aufgrund der Wertung des § 503 Abs. 2 BGB bei Immobiliendarlehensverträgen lediglich mit 2,5 % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. anzusetzen. Der vereinbarte Zinss...