Entscheidungsstichwort (Thema)
Türk. ZGB: Art. 143 Türk. ZGB a.F. bzw. Art. 174 Türk. ZGB n.F.: keine güterrechtlichen Regelungen. Konkludente Wahl des anwendbaren Rechts. Angleichung wegen Normenmangels bei Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bezugnahme der Parteien in einem (hier: türkischen) Eheverfahren auf das in diesem Verfahren nach der Gesetzeslage (gem. Art. 13, 4a Türk. IPRG) richtigerweise anwendbare Recht kann kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswille beigemessen werden, dass die Parteien für ihre Ehe insgesamt - also über dieses konkrete Verfahren hinaus - die Geltung dieses Rechts (vorl. türkischen Rechts) gem. Art. 14 Abs. 2 EGBGB vereinbaren wollen.
2. Wenn sich die Ehescheidung nach deutschem Recht - und damit nach anderen Voraussetzungen als nach türkischem Recht - richtet, steht die Wartefrist des Art. 166 Abs. 4 des türkischen ZGB der Scheidung nicht entgegen.
3. Bei Art. 143 Abs. 1 und Abs. 2 Türk. ZGB a.F. (entsprechend seit 1.1.2002 Art. 174 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB n.F.) handelt es sich um die Regelung einer besonderen Form nachehelichen Unterhalts, jedenfalls aber nicht um güterrechtliche Regelungen.
4. Eine Angleichung wegen eines Normenmangels ist nur zur Schließung einer Lücke geboten, die durch die parallele Anwendung verschiedener Rechtsordnungen auf einen Fall entstehen kann.
Normenkette
EGBGB Art. 14 Abs. 2; Türk.ZGB Art. 143 a.F. bzw. Art. 174 n.F.; Türk.ZGB Art. 166 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 22.04.2003; Aktenzeichen 2 F 288/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des AG - FamG - Karlsruhe vom 22.4.2003 (2 F 288/01) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I. Die Parteien haben 1966 in der Türkei geheiratet. Sie besaßen damals die türkische Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe sind zwei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen. Die Antragsgegnerin hat in der Ehe den Haushalt versorgt und darüber hinaus als Putzhilfe gearbeitet. Im Januar 1996 wurden die Parteien eingebürgert und besitzen deshalb nunmehr auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Antragsteller ist Alleineigentümer eines Hausgrundstücks in ..., in dem die Parteien bis zu ihrer Trennung im Juni 1999 gelebt haben. Damals hat der Antragsteller die Schlösser ausgewechselt und der Antragsgegnerin seither keinen Zutritt mehr gewährt. Die Antragsgegnerin hat ein Haus in der Türkei errichtet, das allerdings noch nicht fertig gestellt ist.
Ein vom Antragsteller in der Türkei eingeleitetes Scheidungsverfahren endete mit der Zurückweisung des Scheidungsantrags. Anschließend reichte er Scheidungsantrag beim AG Karlsruhe ein.
Die Antragsgegnerin ist dem Scheidungsbegehren entgegengetreten. Hilfsweise hat sie Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 150.000 DM bzw. 76.694 EUR wegen Verschuldens des Antragstellers am Scheitern der Ehe und weiter hilfsweise Zahlung eines Zugewinnausgleichs i.H.v. 102.258,38 EUR beantragt.
Sie hat vorgetragen, der Antragsteller habe sich erhebliches eheliches Fehlverhalten ihr ggü. zu Schulden kommen lassen. Er habe sie regelmäßig vor Dritten entwürdigend behandelt und beleidigt und schließlich aus der Ehewohnung ausgesperrt. Außerdem habe er während der Ehezeit ein Reihenendhaus erworben, das einen Wert von ca. 440.000 DM habe. Sie dagegen habe lediglich auf einem gemeinsam mit ihren Brüdern geerbten Grundstück in der Türkei ein noch nicht fertig gestelltes Haus gebaut, das einen Wert von ca. 40.000 DM habe.
Der Antragsteller hat Abweisung der Zahlungsanträge beantragt. Ein Zugewinnausgleich finde nicht statt, weil gem. Art. 15 EGBGB türkisches Recht anzuwenden sei, nach dem Gütertrennung bestehe. Das von der Antragsgegnerin errichtete Haus sei außerdem mindestens 200.000 DM wert. Sie habe ihre gesamten Ersparnisse aus ihrer Putztätigkeit in dieses Haus gesteckt und zwischen 1982 und 1998 Überweisungen i.H.v. insgesamt 34.780 DM an ihre Geschwister vorgenommen. Der Antragsteller dagegen habe von seinem Einkommen die Familie ernährt und das Haus in Linkenheim-Hochstetten abgezahlt.
Das AG hat die Ehe unter Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 1 EGBGB und die Kommentierung von Zöller (§ 606 Rz. 18,19) nach deutschem Recht geschieden.
Eine Rechtswahl nach Art. 14 Abs. 4 EGBGB hat es verneint.
Zugewinnausgleich könne die Antragsgegnerin nicht verlangen, weil das Güterrecht sich gem. Art. 15 Abs. 1 EGBGB nach türkischem Recht richte.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Antragsgegnerin ihre Begehren auf Abweisung des Scheidungsantrags und hilfsweise Schadensersatz/Schmerzensgeld bzw. Zugewinnausgleich weiter.
Sie wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Ehescheidung und ihre Folgen richteten sich insgesamt nach türkischem Recht, weil die Parteien mit der streitigen Führung des Scheidungsprozesses in der Türkei konkludent und infolge des Urteils, das die notarielle Beurkundung ersetze, formwirksam eine entsprechende Rechtswahl getroff...