Leitsatz (amtlich)
1. Ob zwischen den Parteien eines Zivilprozesses das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage notwendige Rechtsverhältnis (§ 256 Abs. 1 ZPO) vorliegt, ist nicht allein nach dem gestellten Klagantrag, sondern aufgrund des gesamten unstreitigen oder bewiesenen Sachvortrags zu beurteilen.
2. Im Fall einer schwierigen Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft kann eine Feststellungsklage auf einzelne Streitpunkte beschränkt werden, wenn dies der sinnvollen Klärung der Grundlagen einer Erbauseinandersetzung dient. Diese Klärung kann auch durch die Feststellung, dass ein Rechtsverhältnis nicht besteht (negative Feststellungsklage) erfolgen.
3. Wenn ein Erblasser durch letztwillige Verfügung bezüglich wesentlicher Nachlassgegenstände Bestimmungen für deren Aufteilung unter den gesetzlichen Erben getroffen hat, durch die diese wertmäßig in unterschiedlicher Höhe bedacht werden, kann die Auslegung dennoch ergeben, dass nach seinem Willen die gesetzliche Erbfolge eintreten soll. Für eine solche Auslegung spricht, wenn der Erblasser erkennen lässt, dass die bedachten gesetzlichen Erben die Auseinandersetzung untereinander regeln sollen und keiner der Erben besondere Rechte oder Pflichten haben soll. Diese Auslegung geht den Auslegungsregeln des § 2087 BGB vor.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 O 369/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 29.01.2021 (14 O 369/19) im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
1. Die Klage gegen den Beklagten Ziffer 1 wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten Ziffer 2 auf Ableben der am .... geborenen und am .... verstorbenen I. G. kein Anspruch auf Übertragung eines Grundstücksteils des Grundstücks I.-Straße in B., Grundbuch von B., Flurstück Nr: ... zusteht.
3. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten Ziffer 2 auf Ableben der I. G. kein Anspruch auf lebtägliche Nutzung eines Schopfes und/oder einer Brennanlage auf dem Grundstück I.-Straße in B., Grundbuch von B., Flurstück Nr: ... zusteht.
4. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten Ziffer 2 auf Ableben der I. G. kein Anspruch auf Einräumung eines Dauernutzungsrechts gemäß § 33 WEG an einem Grundstücksteil des Grundstücks I.-Straße in B., Grundbuch von B., Flurstück Nr: ..., zusteht.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 42% und der Beklagte Ziffer 2 58 %. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziffer 1 in beiden Rechtszügen. Der Beklagte Ziffer 2 trägt 58 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen, sowie seine eigenen, außergerichtlichen Kosten. Im Übrigen trägt der Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Der Streitwert in beiden Instanzen wird auf 82.121 EUR festgesetzt.
Gründe
A Die Parteien streiten um den Nachlass ihrer Mutter, der am 07.01.2019 verstorbenen I. G.. Der weitere Sohn der Erblasserin, H. G., ist nicht am Verfahren beteiligt.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Diese sind dahingehend zu ergänzen, dass der Kläger das von der Erblasserin im Jahr 1990 erworbene Wohnungseigentum, bestehend aus 50/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück I.-Straße in B., verbunden mit dem Sondereigentum an der im Obergeschoss und Dachgeschoss gelegenen Wohnung mit einem Anteil von 1/2 nach Auflassung am 29.06.2015, eingetragen am 04.09.2015, auf seine Ehefrau, R. G., übertragen hat; auf die Anlage K 20 wird verwiesen. Wegen der Teilungserklärung vom 29.03.1990, durch die das Wohnungseigentum gebildet wurde, wird auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 04.10.2022 (AS II, 73) vorgelegte Anlage verwiesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) nicht Erbe auf Ableben der am 26.10.1929 geborenen und am 07.01.2019 verstorbenen Frau I. G. geb. ...., zuletzt wohnhaft ..., B., geworden ist,
2. hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) nicht Miterbe mit einer Quote von einem Viertel auf Ableben der am 26.10.1929 geborenen und am 7.1.2019 verstorbenen Frau I. G. geb. ..., zuletzt wohnhaft ..., geworden ist.,
3. es wird festgestellt, dass dem Beklagten zu 2) auf Ableben der am 26.10.1929 geborenen und am 07.01.2019 verstorbenen Frau I. G. kein Anspruch auf Übertragung eines Grundstücksteils des Grundstücks I. Str.B., Grundbuch von B., Flst.-Nr. ..., zusteht,
4. es wird weiter festgestellt, dass dem Beklagten zu 2) auf Ableben der in Ziffer 2 näher bezeichneten Erblasserin kein Anspruch auf lebtägliche N...