Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage gegen einen Zwangsgeldbeschluss
Leitsatz (amtlich)
1) Gegen einen Zwangsgeldbeschluss gemäß § 888 ZPO ist die Vollstreckungsgegenklage statthaft.
2) Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage besteht bereits dann, wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, das verhängte Zwangsgeld - unter bestimmten Voraussetzungen - vollstrecken zu wollen. Die Zwangsvollstreckung muss weder begonnen haben noch konkret drohen.
3) Kommt der Schuldner einer Dauer- oder vergleichbaren Verpflichtung (hier: zur Gewährung von Einsicht in einen umfangreichen Aktenbestand) nach Erlass des Zwangsgeldbeschlusses seiner titulierten Handlungspflicht fortlaufend und ohne Einschränkungen nach, so ist die Vollstreckungsgegenklage begründet.
Normenkette
ZPO §§ 767, 794-795, 888
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 09.11.2018; Aktenzeichen 10 O 103/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer X - vom 09.11.2018, Az. 10 O 103/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen vom Beklagten erwirkten Zwangsgeldbeschluss nach § 888 ZPO.
Die Parteien streiten seit Jahren vor Gericht um die Abfindung des Klägers nach dessen Ausscheiden aus einer Patentanwaltssozietät. In diesem Zusammenhang verurteilte der Senat den Kläger 2012 rechtskräftig dazu, dem Beklagten Einsicht in Mandantenakten und dazu gehörende Unterlagen der ehemaligen Sozietät zu gewähren, die der Kläger nach deren Beendigung mitgenommen hatte (Urteil vom 31.01.2012 - 12 U 115/11). Zur Erzwingung der Einsichtsgewährung bestätigte der Senat mit Beschluss vom 13.04.2017 (12 W 7/16, Anl. TMP1) die Verhängung eines Zwangsgelds gegen den Kläger von 2.500 EUR, ersatzweise Zwangshaft.
Seit Mai 2017 gewährt der Kläger dem Beklagten in seinen Geschäftsräumen über mehrere Termine hinweg die geschuldete Akteneinsicht. Dabei kündigt der Beklagte jeweils im Vorfeld eines Termins an, in welche Akten er Einsicht nehmen möchte; diese werden dann von Kanzleimitarbeitern des Klägers zum Termin bereitgelegt. In der Regel handelt es sich dabei um etwa zehn Vorgänge. Zur Fertigung von Abschriften steht ein Kopiergerät bereit. Vereinbarungsgemäß teilen sich die Parteien die Kosten für die Bereitstellung des Geräts; die Kosten der gefertigten Kopien trägt der Beklagte.
Nachdem der Kläger zur Ansicht gelangt war, der Beklagte fordere ohne sachlichen Grund immer wieder dieselben Akten an, gerieten die Parteien im Frühjahr 2018 über den weiteren Ablauf der Akteneinsicht in Streit. Zunächst bat eine Mitarbeiterin des Klägers den Beklagten um Benennung der Akten, bei denen die Einsicht abgeschlossen sei; dem kam der Beklagte nicht nach. In der Folge kündigte der Kläger mit Schriftsatz vom 12.03.2018 an, künftig nur noch eine Akte zur Einsicht bereitzuhalten und die nächste erst herauszugeben, wenn die Einsicht in die bereits vorgelegte abgeschlossen sei. Wenige Tage später teilte der Kläger überdies mit, der Beklagte sei mit der Begleichung von Kopierkosten i.H.v. 80,17 EUR im Rückstand; weitere Termine zur Akteneinsicht würden erst nach Begleichung dieser Summe ermöglicht.
Ende März 2018 ließ sich der Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung des Zwangsmittelbeschlusses vom 13.04.2017 erteilen. Mit Schriftsatz vom 06.04.2018 drohte er dem Kläger "die gebotenen rechtlichen Schritte" an, falls er seine Ankündigung wahrmachen sollte, immer nur eine Akte vorzulegen. Später wurden die rückständigen Kopierkosten bezahlt. Die Akteneinsicht fand wieder beanstandungsfrei statt.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen,
nach der Ankündigung des Beklagten vom 06.04.2018 drohe die Zwangsvollstreckung ernstlich. Die Androhung sei rechtswidrig, weil dem Beklagten anstandslos Akteneinsicht gewährt werde. Mit dem Schriftsatz vom 12.03.2018 habe er, der Kläger, nicht gegen seine Pflichten verstoßen, weil sich aus dem Zwangsmittelbeschluss weder ein Recht des Beklagten auf mehrfache Einsicht in dieselbe Akte noch eine Pflicht des Klägers zur gleichzeitigen Vorlage mehrerer Akten ergebe. Mit dem angekündigten Vorgehen habe er lediglich seinen Büroaufwand in angemessenem Rahmen halten und zu diesem Zweck sicherstellen wollen, dass Akten, bei denen die Einsicht abgeschlossen sei, nicht erneut herausgesucht werden müssten. Er habe den Eindruck, der Beklagte sehe tatsächlich nur zwei bis drei Akten pro Termin ein und lasse sich danach zahlreiche Akten erneut vorlegen. Nach wie vor sei er bereit, dem Beklagten mehrere Akten gleichzeitig herauszulegen und bei Bedarf auch wiederholte Einsicht zu ermöglichen. Er strebe einen Modus der Akteneinsicht an, der für beide Seiten pragmatisch und praktikabel sei.
Er hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts...