Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalanlageberatung: Erneuter Hinweis auf das allgemeine Emittentenrisiko bei bereits früherer Information; Darlegungs- und Beweislast; darzulegender Umstand bei Verletzung der Beratungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erneute Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko beim Erwerb eines Zertifikats ist entbehrlich, wenn der Anleger hierüber bereits aufgrund früherer Erwerbsgeschäfte informiert worden war.
2. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der früheren ordnungsgemäßen Aufklärung trägt der Anleger im Rahmen der allgemeinen Regeln. Denn zur Darlegung der Verletzung der Beratungspflicht gehört auch der Umstand, dass insoweit ein Aufklärungsbedarf (noch) bestand
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Heidelberg vom 17.1.2012 - 2 O 144/11 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids des AG Stuttgart vom 3.5.2011 (Az. 11 8987156-0-3) wird die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 102.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (Zedent) wegen Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit dem Erwerb von 100 Stück Alpha Express Zertifikate der Emittentin Lehman Bros Treasury Co. B. V. zum Nennwert von je 1.000 EUR zzgl. Ausgabeaufschlag von 2 % auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Kapitalanlage wurde dem Zedenten, einem Zahnarzt im Ruhestand, der seit 2005 Kunde der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten war, in einem Beratungsgespräch am 11.4.2008 vom Anlageberater der Beklagten, dem Zeugen D unter Übergabe eines Faltblattes empfohlen. Die Mitarbeiter der Beklagten erstellten wiederholt ein Risikoprofil des Zedenten, zuletzt der Zeuge D am 11.4.2008 (B 14). Der Zedent erteilte an diesem Tag der Beklagten die Order zum Kauf der streitbefangenen Wertpapiere (Anlage B 15). Diesen Auftrag rechnete die Beklagte unter dem 5.5.2008 ab (Effektenabrechnung, Anlage B 20). Über das Vermögen der Emittentin wurde am 8.10.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit dem Vorwurf, die Beklagte habe in mehrfacher Hinsicht ihre Beratungspflichten verletzt, begehrt die Klägerin Rückzahlung der Anlagesumme. Sie hat gegen die Beklagte einen Vollstreckungsbescheid über 102.000 EUR nebst Zinsen erwirkt, gegen den die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat nach Beweisaufnahme den Vollstreckungsbescheid mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Klägerin Zahlung nur Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate verlangen kann. Zur Begründung der Schadensersatzpflicht gem. § 280 BGB hat es darauf abgestellt, die Beklagte habe ihre vertragliche Pflicht zur objektgerechten Beratung verletzt. Ihr Mitarbeiter habe den Zedenten über das dem verkauften Wertpapier immanente Emittentenrisiko nicht aufgeklärt. Der Zeuge D habe bei seiner Vernehmung angegeben, auf das abstrakte Risiko des Ausfalls des Emittenten sei er nur bei ausdrücklicher Frage des Anlegers eingegangen. Auf die Aushändigung der Kurzinformation mit der entsprechenden Information (Kreditrisiko) könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie erst im Beratungstermin erfolgt sei. Auch die (bestrittene) Übergabe der Broschüre "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" im Februar 2006 genüge nicht. Diese Informationsschrift weise über 150 Seiten auf und stelle wegen der Komplexität der in Rede stehenden Finanzinstrumente kein geeignetes Mittel der geschuldeten Aufklärung dar. Schließlich habe die Beklagte auch nicht ihre Behauptung bewiesen, den Zedenten bereits in einem früheren Zeitpunkt (Beratungsgespräche vom 31.5.2007 und 6.9.2007) ausreichend über das allgemeine Emittentenrisiko bei Zertifikaten informiert zu haben. Auch aus dem Umstand, dass dem Zedenten anlässlich vorausgegangener Erwerbsvorgänge die jeweiligen Produktinformationen mit den Hinweisen auf das allgemeine Emittentenrisiko überlassen worden seien, könne nicht geschlossen werden, der Zedent sei insoweit aufgeklärt worden und daher nicht weiter aufklärungsbedürftig gewesen. Insoweit fehle es an einem auffälligen Hinweis in den Emissionsprospekten.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte zur Begründung des von ihr aufrechterhaltenen Antrags auf vollständige Abweisung der Klage demgegenüber geltend, die Beratung sei insgesamt, insbesondere auc...