Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungseinstellung in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung wegen konkreter Verweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Anerkenntnis der Leistungspflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist auch hinsichtlich der bei der Beurteilung zu Grunde gelegten maßgeblichen bisherigen Berufstätigkeit des Versicherten bindend. Bei einer späteren Leistungseinstellung wegen konkreter Verweisung ist der Versicherer gehindert, der Vergleichsbetrachtung einen abweichenden Bezugsberuf zu Grunde zu legen.
2. Welche Berufstätigkeit dem Anerkenntnis zu Grunde liegt, ist gegebenenfalls durch Auslegung festzustellen.
Normenkette
VVG § 172 Abs. 3, §§ 173-174
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 06.10.2023; Aktenzeichen 21 O 68/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.10.2023, Az. 21 O 68/22, wird zurückgewiesen
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt fortgesetzte Leistung aus einer beim Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung.
Der Kläger hat beim Beklagten im Jahr 2008 eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen mit einer vereinbarten Versicherungs- und Leistungsdauer bis längstens 01.01.2048, Versicherungsschein-Nr. 3.... Vereinbart ist die Leistungsstaffel I. Die bedingungsgemäße Rentenhöhe betrug zuletzt 594,92 EUR. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Selbstständige Berufsunfähigkeits-Versicherung (Anl. K2, i.F.: B-SBU) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1 Welche Leistungen erbringen wir?
(1) Wird die versicherte Person während der Dauer dieser Versicherung voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % berufsunfähig (Leistungsstaffel I) oder ist sie es während dieser Zeit geworden, erbringen wir während der jeweils vereinbarten Leistungsdauer folgende Versicherungsleistungen:
a) Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente monatlich im Voraus;
b) volle Befreiung von der Beitragspflicht.
[...]
§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls voraussichtlich mindestens 6 Monate außerstande ist, ihren versicherten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.
[...]
(4) Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn die versicherte Person eine andere Tätigkeit konkret ausübt, die entsprechend ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgeübt werden kann und die wirtschaftlich und in ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung der Lebensstellung entspricht, die vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden hat.
Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung wird von uns je nach Lage des Einzelfalles auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgeübten Beruf begrenzt. Sie beträgt jedoch maximal 20 %.
[...]
§ 3 Was ist der versicherte Beruf?
(1) Als versicherter Beruf im Sinne von § 2 Abs. 1 gilt die berufliche Tätigkeit, die zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübt wurde.
(2) Übt die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit keine berufliche Tätigkeit aus, ist aber noch nicht gemäß § 2 Abs. 5 aus dem Berufsleben ausgeschieden, gilt die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als versichert.
[...]
§ 14 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen; dies gilt nicht für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse. Dabei gilt als versicherter Beruf neben einer Tätigkeit gemäß § 3 auch eine inzwischen aufgenommene Tätigkeit, die aufgrund neu erworbener beruflicher Fähigkeiten ausgeübt wird, sofern sie weiterhin der Lebensstellung vor Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht.
[...]
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad vermindert, endet oder mindert sich unsere Leistungsverpflichtung gemäß der vereinbarten Leistungsstaffel; entsprechend kann Ihre Beitragszahlungspflicht wieder beginnen (siehe § 1 Abs. 6). Die Einstellung oder Minderung unserer Leistungen und den Wiederbeginn der Beitragszahlungspflicht legen wir Ihnen in Textform dar und teilen sie dem Anspruchsberechtigten in Textform mit. Die Einstellung oder Minderung u...