Leitsatz (amtlich)
1. Die von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder infolge ihrer Systemumstellung für so genannte rentenferne Versicherte erteilten Startgutschriften sind auch nach der Überprüfung nach den Regeln der 17. Änderung der VBL-Satzung nicht verbindlich. Das mit der Änderung eingeführte Vergleichsmodell beseitigt die vom Bundesgerichtshof in dessen Urteil vom 14.11.2007 (BGHZ 174, 127) festgestellte Ungleichbehandlung von Versicherten mit berufsnotwendig langen Ausbildungszeiten nicht.
2. Nachdem die Startgutschriften bereits aus diesem Grunde unverbindlich sind, bedarf es derzeit keiner Entscheidung, ob die Anwendung des so genannten Näherungsverfahrens für die Ermittlung der anzurechnenden Rente zulässig ist.
3. Die Unverbindlichkeit führt derzeit noch nicht dazu, dass die betroffenen Versicherten nach den vor der Systemumstellung geltenden Regeln zu behandeln sind; vielmehr ist den Tarifvertragsparteien (erneut) Gelegenheit zu geben, eine verfassungskonforme Übergangsregelung zu schaffen.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 14.03.2014; Aktenzeichen 6 O 169/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 14.3.2014 - 6 O 169/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ihrer Satzung in der Fassung der 17. Satzungsänderung überprüfte Startgutschrift den Wert der von dem Kläger erlangten Anwartschaft auf die zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich nach Umstellung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem gegen die von der beklagten Zusatzversorgungseinrichtung erteilte, nach einer Satzungsänderung überprüfte Startgutschrift für eine rentenferne Person.
Der Kläger ist am 18.2.1959 geboren. Er trat am 1.9.1982 in den öffentlichen Dienst ein. Zu diesem Zeitpunkt war er 23 Jahre alt.
Mit der Neufassung der Satzung hat die Versorgungsanstalt ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt. Das Gesamtversorgungssystem wurde formell mit Ablauf des 31.12.2000 geschlossen und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem ersetzt.
Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.11.2007 (IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127) die Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebsrentensystem und die Neufassung der Satzung der Beklagten als solche für mit höherrangigem Recht vereinbar, aber die Übergangsregelung für rentenferne Pflichtversicherte für unwirksam und die auf ihr beruhende Startgutschrift für unverbindlich erklärt hatte, einigten sich die Tarifparteien am 30.5.2011 auf einen 5. Änderungstarifvertrag zum ATV (§§ 32 Absatz 6, 33 Absatz 1a, Absatz 7 Satz 2, Protokollnotiz zu Absatz 1 und Absatz 1a, § 34 Absatz 1 Satz 2 und Satz 4 ATV). Die Beklagte hat diese Vereinbarungen unverändert mit den Regelungen des §§ 78 Absatz 4, 79 Absatz 1a, Absatz 6 Satz 3, Absatz 7 Satz 2, 80 Satz 2 und 4 VBLS n.F. umgesetzt. Gemäß § 79 Absatz 1a VBLS n.F. ist nunmehr vorgesehen, dass bei Beschäftigten der rentenfernen Jahrgänge auch ermittelt wird, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Absatz 2 BetrAVG unter Berücksichtigung eines Unverfallbarkeitsfaktors entsprechend § 2 Absatz 1 Satz 1 BetrAVG ergibt. Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert. Ist die hiernach - unter Berücksichtigung weiterer Besonderheiten in § 79 Absatz 1a Nr. 2 VBLS - berechnete Anwartschaft höher als die bisherige Anwartschaft, wird der Unterschiedsbetrag zwischen diesen beiden Anwartschaften ermittelt und als Zuschlag berücksichtigt. Die Summen aus bisheriger Startgutschrift und Zuschlag bilden die neue Startgutschrift (§ 78 Absatz 4 VBLF n.F.).
Die Beklagte hat mit Mitteilung vom 15.10.2002 die Rentenanwartschaft des Klägers zum 31.12.2001 auf zunächst 623,88 EUR errechnet und ihm dementsprechend eine Startgutschrift von 155,97 Versorgungspunkten erteilt. Die Mitteilung über die Startgutschrift beruht auf der Neufassung der Satzung der Beklagten zum 1.1.2001. Die in der Startgutschrift im sog. Näherungsverfahren zugrunde gelegte voraussichtliche Grundversorgung des Klägers war von der Beklagten mit 3.130,31 DM (entspricht 1.600,50 EUR) ermittelt worden.
Mit Schreiben vom Oktober 2012 (AH 1 ff.) teilte die Bekl...