Leitsatz (amtlich)

Die von einem Dritten auf Anweisung des Insolvenzschuldners geleistete Zahlung ist nicht inkonkgruent (§ 131 InsO), wenn vereinbart war, dass die vom Schuldner geschuldete leistung druch den Dritten bewirkt werden soll. Insoweit reicht eine stillschweigende Vereinbarung, die sich aus einer langen Praxis ergeben kann.

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 23.09.2016; Aktenzeichen 3 O 143/16)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 23.09.2016 - 3 O 143/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung aus diesem Urteil und aus dem vorliegenden Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 72.296,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt als Verwalter in dem am 01.10.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. P. Vierte GmbH (Insolvenzschuldnerin) von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr einer Mietzahlung in Höhe von 72.296,11 EUR für den Monat Juni 2013. Zur Erfüllung dieser Mietverbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin hatte die BMPD GmbH (BMPD) der Beklagten einen Verrechnungsscheck übersandt, der dem Konto der BMPD am 12.06.2013 belastet wurde. Am 11.07.2013 hat die Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die von der BMPD erbrachte Zahlung sei als inkongruente Deckung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil die Beklagte keinen Anspruch gegen die BMPD gehabt habe. Die Zahlung - eine Anweisung auf Schuld - habe zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt. Die BMPD habe ein Sammelkonto gehabt, auf das die Tochtergesellschaften des Konzerns Einzahlungen geleistet hätten (Cash Pool). Die BMPD habe für jede Tochtergesellschaft ein (internes) Clearing-Konto geführt, auf dem die Zahlungsausgänge/Überweisungen für sie gebucht und verrechnet worden seien. Das Clearing-Konto der Insolvenzschuldnerin habe in dem fraglichen Zeitraum ein Guthaben ausgewiesen, das durch die Mietzahlung verringert worden sei. Die Forderung der Insolvenzschuldnerin gegen die BMPD sei werthaltig gewesen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihr habe von vornherein eine stillschweigende Vereinbarung über die Art der Mietzahlung bestanden: Die Miete sei seit dem Beginn des Mietverhältnisses im Jahr 1999 immer per Scheck durch die BMPD bezahlt worden. Diese habe die Funktion einer Zahlstelle für die Konzerngesellschaften gehabt. Es habe sich um eine kongruente Leistung und ein Bargeschäft gehandelt.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 23.09.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe durch die Hingabe des auf die BMPD bezogenen Schecks keine inkongruente Deckung erlangt. Zwar sei die Kongruenz zwischen Anspruch und Deckungsleistung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Geringfügige Abweichungen (etwa Überweisungen oder eigene Schecks), die der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen entsprächen, fielen aber nicht unter § 131 InsO, auch wenn die jeweilige Zahlungsweise nicht ausdrücklich vereinbart war. Leiste ein Dritter auf Anweisung des Schuldners an dessen Gläubiger, handele es sich zwar regelmäßig um eine inkongruente Deckung unabhängig davon, ob ein eigenes Forderungsrecht des Insolvenzgläubigers begründet worden sei. Die Vertragspartner könnten den Vertrag aber ändern. Wie das Bundesarbeitsgericht (6 AZR 159/12) ausgeführt habe, könne eine Änderung auch stillschweigend durch eine entsprechende Geschäftspraxis erfolgen. Hier habe die vom Bundesarbeitsgericht geforderte gesellschaftsrechtliche Verflechtung zweier Unternehmen vorgelegen. Die BMPD habe die Buchhaltung für die Insolvenzschuldnerin gemacht. Die Zahlung sei - anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall - nicht aus eigenen Mitteln des Dritten (BMPD) erfolgt, sondern über das Clearing-Konto der Insolvenzschuldnerin. Diese Zahlungsweise sei nicht erst in der Krise, sondern von dem Beginn der Zahlungsverpflichtung an so praktiziert worden. Es habe sich also nicht um eine masseschmälernde Vermögensverschiebung gehandelt, sondern um die Erfüllung einer laufenden Zahlungsverpflichtung in der konkludent vereinbarten Weise. Dies rechtfertige es, von einer geringfügigen Abweichung von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung auszugehen, die nicht unter den Schutzzweck des § 131 InsO falle. Weitere Anfechtungsgründe seien nicht dargelegt und weitere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Kläger macht geltend, das Landgericht sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Buchha...

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