Leitsatz (amtlich)
Ziff. 9. 3 Abs. 2 AUB 2000 begrenzt vor Abschluss des Heilverfahrens während der Jahresfrist die Leistungen des Unfallversicherers auf die Todesfallsumme auch dann, wenn der Invaliditätsgrad bereits feststeht.
Die die Todesfallsumme übersteigende Invaliditätsleistung wird aber bereits vor Abschluss des Heilverfahrens fällig, wenn der Versicherer anhand der ihm vorliegenden Unterlagen die Invalidität in einer gewissen Schwankungsbreite bemessen kann und ein unfallbedingtes Ableben des Versicherten unwahrscheinlich ist.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 27.04.2004; Aktenzeichen 10 O 743/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 27.4.2004 (LG Karlsruhe, Urt. v. 27.4.2004 - 10 O 743/03) wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten - nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits - noch die Zahlung von Zinsen auf die Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen die AUB 2000 der Beklagten zugrunde, die im Wesentlichen den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft AUB 1999 entsprechen.
Am 12.5.2003 erlitt der Kläger einen Motorradunfall mit der Folge, dass sein linkes Bein bis einschließlich des Knies am 6.6.2003 amputiert werden musste. Die Heilbehandlung wurde im Januar 2004 abgeschlossen.
Die Beklagte zahlte auf die vertraglich vereinbarte Invaliditätsleistung bei 60 %-iger Invalidität (112.500,00 Euro) zunächst lediglich die vereinbarte Todesfallleistung i.H.v. 10.000 Euro. Weitere Leistungen vor Ablauf eines Jahres lehnte sie unter Hinweis auf Ziff. 9. 3 AUB 2000 ab. Ziff. 9. AUB 2000 lautet auszugsweise:
"Wann sind die Leistungen fällig?
9.1 Wir sind verpflichtet, innerhalb eines Monats - beim Anspruch auf die Invaliditätsleistung und die Unfall-Rente innerhalb von drei Monaten - zu erklären, ob und in welcher Höhe wir einen Anspruch anerkennen. Die Fristen beginnen mit dem Eingang folgender Unterlagen:
I. Nachweis des Unfallhergangs und der Unfallfolgen,
II. beim Invaliditätsanspruch zusätzlich der Nachweis über den Abschluss des Heilverfahrens, soweit es für die Bemessung der Invalidität notwendig ist.
...
9.2 Erkennen wir den Anspruch an oder haben wir uns mit Ihnen über Grund und Höhe geeinigt, leisten wir innerhalb von zwei Wochen.
9.3 Steht die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach fest, zahlen wir - auf ihren Wunsch - angemessene Vorschüsse.
Vor Abschluss des Heilverfahrens kann eine Invaliditätsleistung sowie die Unfall-Rente innerhalb eines Jahres nach dem Unfall insgesamt nur bis zur Höhe einer vereinbarten Todesfallsumme beansprucht werden."
Nachdem die Beklage die Differenz zur vollen Entschädigung mit Rücksicht auf die nahezu verstrichene Jahresfrist am 22.4.2004 gezahlt hat und der Streit insoweit beiderseits für erledigt erklärt worden ist, verfolgt der Kläger noch seinen Zinsanspruch weiter. Er hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 102.500 Euro vom 22.10.2003 bis 22.4.2004 zu bezahlen.
Das LG, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, hat unter Abweisung der weiter gehenden Klage die beantragten Zinsen gem. § 291 S. 1, 2. Halbsatz BGB ab 1.2.2004 zugesprochen.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter. Das LG habe den Grundsatz der kundenfreundlichsten Auslegung (§ 305c BGB) verkannt.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist unbegründet.
I. Das LG nimmt an, die Forderung des Klägers sei mit dem unstreitigen Abschluss des Heilverfahrens, also ab 1.2.2004, fällig geworden. Die Fälligkeitsregelung des Ziff. 9. 3 Abs. 2 AUB 2000 ergänze den Leistungsausschluss nach Ziff. 2.1.1. 2 AUB 2000. Danach bestehe kein Anspruch auf Invaliditätsleistung, wenn die versicherte Person unfallbedingt innerhalb eines Jahres nach dem Unfall sterbe. Vor Abschluss des Heilverfahrens sei nur die Todesfallsumme zu bezahlen.
II. Diese Auffassung teilt der Senat im Ergebnis.
A. Nach der allgemeinen Vorschrift des § 11 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des Versicherers mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Ziff. 9 AUB 2000 enthält besondere Bestimmungen, die die gesetzliche Fälligkeitsregelung in zulässiger Weise modifizieren (§ 15a VVG - vgl. BGH v. 4.11.1987 - IVa ZR 141/86, VersR 1987, 1235 unter 3; v. 22.3.2000 - IV ZR 233/99, MDR 2000, 766 = VersR 2000, 753 unter 2c; VersR 2002, 698 unter 2a).
B. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss; dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten ...