Leitsatz (amtlich)
1. Das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) kann auch dann heranzuziehen sein, wenn die Gesamtrechtsnachfolge bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes im Jahre 1999 eingetreten ist.
2. Mit der Anwendung speziell des § 24 Abs. 2 BBodSchG ist jedenfalls dann keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung zum Nachteil einer 1926 Gesamtrechtsnachfolger gewordenen juristischen Person verbunden, wenn es eine durch den Betrieb eines in Baden von 1843 bis 1910 existierenden Gaswerks hervorgerufene gegenwärtige Umweltgefahr zu beseitigen galt und die Sanierung des Bodens nach In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes erfolgte.
Normenkette
UmweltHG §§ 6-7; BBodSchG § 4 Abs. 2-3, § 24 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen 8 O 383/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 9.5.2012 - 8 O 383/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen Beseitigung einer schädlichen Bodenveränderung gem. § 24 Abs. 2 BBodSchG geltend.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 682.785,58 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Streithelferin hat in erster Instanz keinen Antrag gestellt.
Das LG hat in dem von der Klägerin mit der Berufung angegriffenen Urteil vom 9.5.2012, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, soweit sie zu den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, die Klage abgewiesen. Seiner Ansicht nach ergebe sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach den §§ 157, 242 BGB, dass eine Inanspruchnahme der Beklagten nach § 24 Abs. 2 BBodSchG ausgeschlossen sei [LGU 22]. Wegen des streitigen Parteivorbringens in erster Instanz und der Entscheidungsgründe wird ebenfalls auf dieses Urteil verwiesen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung - von der Ansicht getragen, das LG habe ihr den Ausgleichsanspruch zu Unrecht aberkannt [II 49] - ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie beantragt:
Das Urteil des LG Mannheim vom 9.5.2012 - 8 O 383/09 - wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 682.785,58 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 583.677,82 EUR ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte - unterstützt durch die Streithelferin [II 117 ff.] - verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstige Tatsachenfeststellungen und Rechtsansichten enthält. So hält sie die Ansicht des LG, nach welcher sie nicht nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 BBodSchG als Gesamtrechtsnachfolgerin der [in C. beheimatet gewesenen] A AG hafte [LGU 13 ff.], ebenso für zutreffend [II 223 ff.; II 261 ff.] wie dessen Auffassung, dass man im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu einer vorrangigen vertraglichen, den gesetzlichen Anspruch nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ausschließenden Vereinbarung gelange [LGU 18 ff.]. Darüber hinaus hält die Beklagte insbesondere an ihrer Meinung fest, dass sie nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der A AG geworden sei [II 259, I 92 ff., I 169 f.] und im Übrigen auch dann nicht haftete, falls sie Gesamtrechtsnachfolgerin dieser Gesellschaft wäre, weil eine Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers nur in Betracht kommen könne, wenn sein Rechtsvorgänger Handlungsstörer gewesen sei, er also nach dem damals geltenden Recht haftete und eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast tatsächlich entstanden sei [II 261, I 99 f., I 172]; die A AG habe jedoch durch den Betrieb des Gaswerks keinen gesetzlichen Haftungstatbestand erfüllt, in den die Beklagte kraft Gesamtrechtsnachfolge hätte eintreten können [II 261, I 99 f., I 172 ff.]. Die Beklagte hafte auch nicht wegen der Errichtung einer Trockenschnitzelanlage im Jahre 1928 [II 297 ff., I 100 ff., I 178 ff.]. Darüber hinaus stehe dem Erfolg der Klage in erheblichem Umfang die Einrede der Verjährung entgegen [II 185 ff., I 79 ff., I 158 ff.]. Bezüglich der Höhe der Klageforderung sei zu beachten, dass eine rechnerische Unrichtigkeit i.H.v. insgesamt 3.553,46 EUR bestehe, Kreditzinsen i.H.v. 129.107,76 EUR unter keinen Umständen zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehörten und die im Übrigen in Rechnung gestellten Beträge weder erforderlich noch angemessen seien [II 303 ff.]; auch Zinsen seien nicht in begehrter Höhe geschuldet [vgl. II 307].
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und der Streithelferin in beiden Instanzen jeweils nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtli...