Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwehranspruch gegen Vogelkot von einer Hochspannungsleitung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Interessenkonflikt zwischen dem Berechtigten einer Dienstbarkeit zur Errichtung und Unterhaltung einer überirdischen Hochspannungsleitung und dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ist in §§ 1020 ff. BGB geregelt. Bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der Schonungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten sind im Einzelfall die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen.
2. Hier: Trotz erheblicher Beeinträchtigungen durch Vogelkot und Erfolglosigkeit von bisher versuchten Vergrämungsmaßnahmen ist der Dienstbarkeitsberechtigte nicht zur Vornahme einer kostenträchtigen Schutzmaßnahme in Form einer Überdachung (Carport) des unter der Leitung liegenden Platzes verpflichtet.
Normenkette
BGB §§ 1004, 1020, 1090, 1092
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 25.08.2017; Aktenzeichen 21 O 4/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25.08.2017, Az. 21 O 4/17, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt das Höchstspannungsnetz zur Elektrizitätsversorgung in Baden-Württemberg. Auf dem von ihr angemieteten Grundstück O-Weg 2 in B führt die Klägerin einen Betrieb zur Entwicklung und Fertigung von Segelflugzeugen und Motorseglern. Über dieses Grundstück verlaufen das gesamte Gelände überspannend zwei von der Beklagten betriebene Hochspannungsleitungen (380-Kilovolt-Leitungen) mit einem dazugehörigen Strommast; zwei weitere Strommasten mit 110-Kilovolt-Leitungen werden nicht von der Beklagten betrieben. Zu Lasten des Grundstücks, das seit Eintragung im Grundbuch am 19.9.2000 im Eigentum von Frau W. steht, ist in Abteilung II des Grundbuchs eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wegen Duldung und Unterhaltung von Stromversorgungskabeln sowie Telekommunikationskabeln für die B AG in Karlsruhe gemäß Bewilligung vom 27.3.1996 eingetragen. Rechtsnachfolgerin der B AG soll - nach verschiedenen Verschmelzungs- und Umfirmierungsvorgängen - die E AG sein. Diese hat mit Vereinbarung vom 6./7.3.2012 die Ausübung der Dienstbarkeit an die Beklagte überlassen.
Mit Erklärung vom 28.2.2013 hat die Grundstückseigentümerin W die Klägerin ermächtigt, den ihr gegen die Beklagte zustehenden Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte unter Ordnungsgeldandrohung zu verurteilen, "durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass von den von der Beklagten betriebenen Höchstspannungsleitungen ... Vogelkot herabfällt und das [von der Klägerin angemietete] Grundstück sowie die sich darauf befindenden Gegenstände verschmutzt". Sie hat vorgetragen, auf den das Grundstück überspannenden Hochspannungsleitungen der Beklagten sowie dem Strommast lasse sich regelmäßig eine Vielzahl von Vögeln (mehrere hundert) je nach Jahreszeit nieder. Insbesondere zweimal im Jahr in den Zugvogelzeiten im Frühjahr und Herbst gebe es über mehrere Wochen eine große Ansammlung von Vögeln, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des darunter liegenden Parkplatzes und der Flugzeuge führe. Die Beeinträchtigungen gingen hauptsächlich von den 380-Kilovolt-Leitungen und dem höheren Mast der Beklagten aus. Der von den Vögeln ausgeschiedene Vogelkot falle zwangsläufig auf das darunter befindliche Betriebsgelände und führe zur Verschmutzung der sich darauf befindenden Segelflugzeuge, Anhänger, Pkws, Parkbänke, des Hausdachs sowie weiterer Gegenstände. Dabei wiege besonders schwer, dass die Vögel unter anderem rote Beeren ausscheiden, eine extrem aggressive Substanz, die die weißen Anhänger verfärbe und teilweise auch den Lack der Autos angreife. Bislang seien verschiedene erfolglose Versuche unternommen worden, die Vögel von den über das von der Klägerin für ihren Betrieb angemietete Grundstück verlaufenden Hochspannungsleitungen nebst Strommast fernzuhalten (Vergrämung). Von Abwehrattrappen (mit Silberfolie überzogene Schildchen, die sich im Wind bewegen) hätten sich die Vögel nicht abschrecken lassen. Weiter sei versucht worden, die Vögel durch Ansiedlung eines Falken abzuschrecken. Eine Ausweichmöglichkeit zum Abstellen der Segelflugzeuge, Anhänger und Pkw stehe der Klägerin nicht zur Verfügung, da die Hochspannungsleitungen über dem gesamten Gelände verliefen. Für die Reinigung der Flugzeuge entstünden in den Hochphasen der Vogelbelagerung zweimal im Jahr Kosten in Höhe von rund 6.000,00 EUR für Personal und Geräte. Aufgrund der Verschmutzungen sei die Klägeri...