Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung. schwere Verfehlung. nachehelichen Unterhalts
Leitsatz (amtlich)
Auch Angriffe gegen nahe Angehörige des Unterhaltspflichtigen können sich als schwere Verfehlung im Sinn von 66 EheG gegen den Verpflichteten selbst auswirken. Sie müssen sich aber mittelbar als Verfehlung gegen ihn selbst darstellen.
Normenkette
EheG a.F. § 66
Verfahrensgang
AG Baden-Baden (Urteil vom 11.03.1998; Aktenzeichen 2 F 226/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Baden-Baden vom 11.03.1998 (2 F 226/97) aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.09.1996 bis 31.08.1997 übergegangenen Unterhalt i.H.v. insgesamt 10.800,00 DM sowie ab 01.09.1997 Unterhalt i.H.v. monatlich 900,00 DM, jeweils spätestens am dritten Werktag eines jeden Monats, zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten beider Rechtszüge haben der Beklagte 3/4, die Klägerin 1/4 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 BSHG übergegangene Unterhaltsansprüche dessen geschiedener Ehefrau (Leonore B.) geltend.
Leonore B. (geb. am 05.07.1939) und der Beklagte (geb. am 06.03.1943) schlossen am 30.01.1962 die Ehe. Aus dieser sind die Kinder Peter, geb. am 04.03.1962, Susanne, geb. am 29.10.1963, Andrea, geb. am 03.09.1965 und Frank-Michael, geb. am 25.04.1967, hervorgegangen. Durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11.10.1972, rechtskräftig seit 21.11.1972 (5 U 132/71) wurde deren Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden.
Durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts – Vormundschaftsgericht – Achern vom 26.11.1974 (F R X 155/67) wurde gemäß § 1671 Abs. 5 BGB die Sorge für die Person und das Vermögen der ehegemeinschaftlichen Kinder dem Kreisjugendamt R. als Vormund übertragen, da die Mutter zwar an ihren Kindern hänge, jedoch den Anforderungen einer stetigen Erziehungsarbeit nach dem Bericht des Sozialen Dienstes des Landkreises R. in B. vom 22.11.1974 nicht mehr gewachsen sei. Dennoch wurde das Sorgerecht für die vier Kinder durch Beschluß vom 28.05.1975 (F R X 74/75 AG Achern) der Mutter übertragen. Anschließend kamen der Sohn Frank-Michael in eine Pflegefamilie, der Sohn Peter im Dezember 1975 zum Vater, von wo er ebenfalls bis 1978 zu Pflegeeltern gebracht wurde, und die Tochter Andrea zu Pflegeeltern bis zu ihrem 16. Lebensjahr. Die Tochter Susanne blieb bis 05.09.1979 bei der Mutter, um anschließend eine zweijährige Wirtschaftsschule in einem Internat zu absolvieren.
Am 28.10.1977 gebar Frau B. die nichteheliche Tochter Tanja.
Am 20.09.1972 schlossen die Eheleute vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe für den Fall der Scheidung ihrer Ehe aus beiderseitigem Verschulden eine Vereinbarung, in der sich der Beklagte verpflichtete, ab 01.10.1972 an seine Ehefrau als deren Unterhalt einen Betrag von 400,00 DM im Monat zu zahlen. Diese, Regelung sollte bis 01.10.1977 gelten, allerdings im Falle ihrer Wiederverheiratung entfallen.
Ihre für die Zeit ab 01.08.1983 beim Amtsgericht – Familiengericht – Baden-Baden erhobene Unterhaltsklage i.H.v. monatlich 680,00 DM wurde durch Urteil des genannten Gerichts vom 26.04.1989 abgewiesen (10 F 242/84), da sie ihren angemessenen und notwendigen Unterhaltsbedarf von monatlich 1.038,74 DM – fiktiv – selbst decken könne.
Die Klägerin zahlt an Frau B. laufend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wobei für den Klagezeitraum folgende Leistungen erbracht wurden:
vom 01.09.1996 bis 31.12.1996 monatlich |
1.109,00 DM, |
für Januar 1997 |
1.185,00 DM, |
für Februar und März 1997 monatlich |
1.192,00 DM, |
für April, Mai und Juni 1997 monatlich |
1.202,00 DM |
und ab 01.07.1997 monatlich |
1.210,00 DM. |
Darüber hinaus wird dieser pauschaliertes Wohngeld i.H.v. monatlich |
215,00 DM |
gewährt.
Mit Schreiben vom 13.08.1996 unterrichtete die Klägerin den Beklagten über die Hilfegewährung an seine geschiedene Ehefrau gemäß § 91 Abs. 3 BSHG und forderte ihn auf, seiner Unterhaltspflicht im Umfang der von der Klägerin erbrachten Leistungen nachzukommen.
Der Beklagte lehnte Unterhaltszahlungen ab, worauf die Klägerin mit ihrer am 14.08.1997 eingereichten und dem Beklagten am 29.08.1997 zugestellten. Klage einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.09.1996 bis 31.08.1997 i.H.v. 13.308,00 DM und die Zahlung von monatlichem Ehegattenunterhalt ab 01.09.1997 i.H.v. 1.210,00 DM begehrt hat. Der Beklagte sei gemäß § 60 EheG seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Diese könne sich nicht selbst unterhalten. Eine Erwerbstätigkeit könne sie aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben, da sie seit längerer Zeit arbeitsunfähig erkrankt sei. Sie leide an einer schweren Coxarthrose links und Varizen am linken Oberschenkel. Außerdem habe sie keine reale Beschäftigungschance. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 3.674,59 DM (incl. Steuererstattung; I, 11) sei der ...