Entscheidungsstichwort (Thema)

Audi 4.2 Liter V8-TDI Dieselmotor - Zum Differenzschaden trotz NFD-Update

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die substantiierte Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB durch unzulässige Abschalteinrichtungen.

2. Zur Haftung eines Pkw-Herstellers für ein Dieselfahrzeug mit Thermofenster gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV, insbesondere zu den Anforderungen an die Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums durch den Fahrzeughersteller.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV §§ 6, 27; EGV 715/2007 Art. 3, 5

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 14.05.2021; Aktenzeichen D 2 O 381/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 14.05.2021, Az. D 2 O 381/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 1.876,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klagepartei zu 94 % und die Beklagte zu 6 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

I. Die Klagepartei nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug in Anspruch.

Die Klagepartei erwarb am 10.07.2016 von einer Privatperson den gebrauchten Audi A 8 mit der FIN: W zu einem Bruttokaufpreis von 31.500,00 EUR (vgl. Kaufvertrag, Anlage K 1 - AS. I 68). Das Fahrzeug wurde erstmals im Juli 2010 zugelassen und wies bei Übergabe an die Klagepartei am 10.07.2016 eine Laufleistung von 43.287 km auf.

Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und entwickelte den Motor. Sie ist für die Baureihe des vorgenannten Fahrzeugtyps die Inhaberin der Typgenehmigung für Fahrzeuge nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (nachfolgend Verordnung (EG) Nr. 715/2007) und erteilte für das streitgegenständliche Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung nach §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (nachfolgend EG-FGV).

Das Fahrzeug ist mit einem 4.2 Liter V8-TDI Dieselmotor, Schadstoffklasse EU 5, Leistung 258 kw, ausgestattet.

Das Fahrzeug verfügt über keinen SCR-Katalysator nebst AdBlue-Technologie, ist allerdings mit einer schadstoffreduzierenden Abgasrückführung zur Minimierung des Schadstoffausstoßes ausgestattet. Die Rückführung der Abgase in die Reinigungseinheit erfolgt hierbei abhängig von den jeweils herrschenden Außenlufttemperaturen (sog. Thermofenster). Zum Zeitpunkt sowohl des Inverkehrbringens des Fahrzeugs als auch des Erwerbs durch die Klagepartei enthielt die Motorsteuerungssoftware eine Programmierung (Bedatung) des Thermofensters, die bewirkte, dass der Umfang der Abgasrückführung in die Reinigungseinheit ab einer Außenlufttemperatur von weniger als +17° C und mehr als +30° C reduziert und bei Erreichen bestimmter Temperaturwerte schließlich ganz abgeschaltet wurde.

Im Zeitraum nach dem Erwerb des Fahrzeugs durch die Klagepartei beanstandete das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend KBA) gegenüber der Beklagten, dass es bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zu Auffälligkeiten bei der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes komme. Diese Auffälligkeiten würden in bestimmten Fahrsituationen zu einer Erhöhung der Stickoxidemissionen führen. Das KBA ordnete Abhilfemaßnahmen an. Die Beklagte entwickelte zur Beseitigung der Beanstandungen in Zusammenarbeit mit dem KBA für den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ein Software-Update, das vom KBA am 15.01.2020 freigegeben und in die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgespielt wurde.

Ferner reichte die Beklagte im Rahmen des "Nationalen Forums Diesel" (nachfolgend NFD) beim KBA einen Maßnahmenplan zur Emissionsoptimierung ein, der ein weiteres Software-Update (nachfolgend NFD-Update) mit einer Aufweitung der umgebungslufttemperaturabhängigen Abgasrückführung vorsah und auch das streitgegenständliche Fahrzeug umfasste. Dieses NFD-Update wurde vom KBA im Jahr 2020 genehmigt und am 10.07.2020 ebenfalls in die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgespielt.

Mit ihrer Klage vom 27.11.2020 hat die Klagepartei die Beklagte zunächst auf die Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie auf die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, verklagt.

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